Tourismusexperten: Corona wird das Reisen nachhaltig verändern
Die Corona-Pandemie wird auch das Reisen nachhaltig verändern - und das könnte eine durchaus positive Nachricht sein: Zu dieser Einschätzung kamen am Montagabend zwei Tourismusexperten im kirchlichen Bildungshaus Schloss Puchberg (OÖ.): der Gründer von "Weltanschauen" und Mitarbeiter der Caritas-Auslandshilfe, Christoph Mülleder, und der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner. Mülleder richtet bei seinen Reiseangeboten den Blick erfolgreich auf heimische und ökologisch verträgliche Destinationen. Steiner meinte: "Der Tourismus war vor COVID schon krank", und erwartet künftig mehr Augenmerk auf Individualität und persönliche Begegnungen.
Moderiert wurde der erste Abend im Rahmen der Reihe "Zukunftsgespräche am Montag", in denen nach dem Reisen auch die Wirtschaft, die Bildung und der Alltag auf coronabedingte Veränderungen "durchleuchtet" werden, vom Buchautor und Pilgerexperten Ferdinand Kaineder. Unter den zahlreichen Besuchern seien international erfahrene "Reisefreaks" und Tourismusunternehmer gewesen, heißt es in seiner Zusammenfassung.
Reisen ist für Christoph Mülleder "nicht einfach ein Konsumprodukt, sondern ein tiefes Eintauchen in für Reisende neue Lebenswelten". Kürzer, schneller und billiger dürften als Kriterien nicht mehr gelten, Muße sei demgegenüber gefragt. "Ein wichtiges Element ist die Zeit, die man sich nehmen soll, um einen Ort zu erspüren", sagte Mülleder. Nicht das "Abhaken von Sehenswürdigkeiten", sondern unverplante freie Zeit schaffe Raum für ungeplante Erlebnisse und Begegnungen.
Die Angebote von "Weltanschauen" berücksichtigen die nachhaltigen UN-Ziele und den Auftrag zum Aufbau eines nachhaltigen Tourismus, der von den Kunden auch immer mehr nachgefragt werde. An diesem Trend gelte es jetzt in Corona-Zeiten anzuknüpfen und mit "Reisen in die Nähe" anzufangen, so Mülleder. "Wir bereisen beispielsweise das Mühlviertel und österreichische Destinationen. Und die Menschen machen mit." Sein noch junges Unternehmen "Weltanschauen" organisiert auch Lesereisen für "Welt der Frauen"-Leserinnen nach Rijeka, offeriert Pilgern auf den Spuren des heiligen Franz von Assisi oder lädt unter der Leitung von Ferdinand Kaineder zum Wandern "am Lechweg vom Fall zur Quelle" (www.weltanschauen.at).
Auch im Tourismus: Weniger ist mehr
Corona zeige dem Tourismus, an dem weltweit etwa 280 Millionen Arbeitsplätze hängen, "dass er weg muss von der Masse, der Dichte, dem Stress und der Oberfläche". Tourismusdirektor Georg Steiner machte aus seiner Skepsis gegenüber dem Massentourismus kein Hehl, in den letzten 20 Jahren hätten Billigflieger die Menschen über die Welt verteilt und zu einem "Aufstand der Bereisten" geführt.
"Im zukünftigen Tourismus müssen wir vom Aufzählen zumindest zum Erzählen kommen", betonte Steiner. Eine gelungene Reise habe mit Transformation durch Erleben und Begegnungen zu tun: "Jeder soll eine persönliche Veränderung spüren und diese mit nach Hause nehmen." Dafür notwendig sei die Neugierde der Reisenden, die "Narrative" der Zieldestination verstehen zu wollen. Freilich: Massentourismus werde sich weiterhin in dafür geschaffenen und designten "eigenen Welten" abspielen, aber Masse und Größe würden zunehmend durch individuelle Räume und Begegnungsflächen ersetzt. Die Grundfrage lautet für den Touristiker dabei immer: "Wie schaffen wir Begegnung mit hoher Authentizität?"
In der anschließenden Diskussion waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, dass sich die Qualität des Reisens an "langsamer und weniger" orientieren und Gastfreundschaft wieder eine größere Rolle spielen müsse. Dabei wurde auch die Politik in die Pflicht genommen und die Forderung laut, "dass Flugreisen endlich ehrlich bepreist werden mit den entsprechenden Steuern und Abgaben". Ein CO2-Punktesystem könne ein individuelles "Reise-Kontingent" festlegen.
Die weiteren "Zukunftsgespräche am Montag" in Puchberg sind wöchentlich ab dem 21. September geplant, Anmeldungen sind wegen der COVID-Regelungen erforderlich unter Mail puchberg@dioezese-linz.at.
Quelle: kathpress