Theologe: Kirchen sind auf Post-Corona-Zeit schlecht vorbereitet
Wie gut ist die Kirche, sind die Pfarren und Gemeinden auf die kommenden kirchlichen Hochfeste und auf eine mögliche Post-Corona-Zeit vorbereitet? Schlecht, lautet die Diagnose des Grazer Theologen und Philosophen, Prof. Reinhold Esterbauer. Zum einen mangele es an liturgischen Konzepten und Ideen für ein Fortdauern der Corona-Pandemie; bloße Durchhalteparolen auszugeben und "das Fehlende zu bedauern" sei einfach nicht genug. Zum anderen bestehe die Gefahr, dass ohne konkrete nachgehende Seelsorge die Menschen sich an den weitgehenden Abbruch des religiösen Lebens in den Gemeinden gewöhnten und dies irgendwann gar nicht mehr als Verlust empfänden, schreibt Esterbauer in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.
Gegenwärtig gehe es in den Kirchen vielfach schlicht darum, "die politischen Vorgaben umzusetzen und auf die kirchliche Situation zu adaptieren". Das sei prinzipiell richtig und aus Präventionsgründen "unumgänglich" - auch gebe es durchaus einiges Engagement in den Pfarren, ihr Gottesdienstangebot auch unter Corona-Bedingungen aufrechtzuerhalten. Das verständliche Bedauern über den Rückgang an regelmäßigen Gottesdienstbesuchern gehe aber zugleich mit der laut Esterbauer anzuzweifelnden Hoffnung einher, "dass die Gläubigen 'danach' zurückkommen werden und der Stand nach der Pandemie ungefähr derjenige vor der Krise sein wird".
Tatsächlich müssten sich die Gemeinden dem an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz lehrenden Esterbauer zufolge aber darauf einrichten, dass genau dies nicht eintreten werde - und dass den Menschen auch ohne die Gottesdienste "mittelfristig erstaunlich wenig fehlt". Mehr noch stehe zu befürchten, dass in Folge auch die Zahl der Kirchenaustritte steigen werde. Die Pfarren täten daher laut Esterbauer gut daran, sich auf zwei Bereiche zu konzentrieren: Die seelsorgliche Gestaltung der näheren Zukunft, sprich: der anstehenden Hochfeste wie Weihnachten oder Ostern unter Corona-Bedingungen; und die Entwicklung nachgehender seelsorglicher Angebote unter den Vorzeichen einer "neuen Normalität": "Angebote, sich die Kommunion im Pfarrhof abzuholen oder sich zu einer Online-Feier zuschalten zu können, werden nicht ausreichen."
Es sei vielmehr notwendig, "aktiv auf Menschen zuzugehen" - nicht nur in Form von Informationen über pfarrliche Angebote, sondern in Form direkter Kontaktnahme - "damit sie merken, dass sich jemand um sie kümmert und sie den Kirchen nicht egal sind." Dies sollten laut Esterbauer die Kirchen bereits jetzt im Blick auf die wachsende Zahl älterer Menschen und Senioren tun, die auch technisch nicht in der Lage sind, Online-Alternativen zu nutzen. Gerade Allerheiligen, der Advent, Weihnachten, Nikolaus oder die Sternsinger-Aktion seien Gelegenheiten, die es zur direkten Kontaktnahme und -pflege zu nutzen gelte. "Sich durch das Bedauern über Fehlendes oder den Zweifel am zu erwartenden Erfolg paralysieren zu lassen, war noch nie eine christliche Tugend", schreibt Esterbauer abschließend.
Quelle: kathpress