Lackner an Politik: "Ohne Letztbezug auf Religion geht es nicht"
Erzbischof Franz Lackner hat an die Politik appelliert, gesellschaftliche Werte nie als einfach gegeben vorauszusetzen. Ganz ohne Rückbezug auf eine letzte Instanz religiöser Art werde es auch in einem freiheitlichen säkularen Staat nicht gehen, so Lackner. Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz stand am Dienstagabend (13.10.2020) gemeinsam mit dem orthodoxen Metropoliten Arsenios (Kardamakis), Vorsitzender der orthodoxen Bischofskonferenz, und der evangelischen Oberkirchenrätin Ingrid Bachler einem ökumenischen Gottesdienst in der Wiener Hofburgkapelle vor. Anlass war der Beginn der Parlamentssession 2020/2021. An dem Gottesdienst nahmen Parlamentarier aller Parteien teil, mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler an der Spitze.
Erzbischof Lackner verwies in seiner Predigt auf den polnischen Philosophen Leszek Kolakowski. Von diesem stamme die Erkenntnis: "Offensichtlich können Einzelne hohe moralische Standards aufrechterhalten und zugleich areligiös sein. Dass auch Zivilisationen das können, bezweifle ich." In die gleiche Richtung weise das inzwischen berühmt gewordene Zitat des deutschen Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde: "Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er sich selbst nicht garantieren kann."
Lackner: "Diese Voraussetzungen vermag im christlichen Abendland der Glaube, wie er in den verschiedenen Konfessionen und Religionen institutionell - freilich in brüchigen Gefäßen - gefasst ist, zu gewähren." Das sei jene Zutat, "die die Welt braucht, damit sie nicht den Geschmack verliert", so der Erzbischof in Anspielung auf ein biblisches Zitat Jesu, in dem er die Christen als "Salz der Erde" bezeichnet. Lackner: "Jesus spricht nicht von der Hauptspeise; von einem saftigen Wiener Schnitzel; auch nicht von der Nachspeise, einem süßen Tiramisu, sondern von Salz - von einer Zugabe, die man allein gar nicht essen kann."
Jede Generation hat "Werte-Fußabdruck"
Lackner appellierte an die Verantwortlichen des Staats, "Voraussetzungen, die der säkulare Staat nicht garantieren kann, nicht wie als gegeben zu betrachten." Es gebe eine Letztverantwortung, "an der man sich nicht vorbeischwindeln kann". Zugleich gelte es zu bedenken: "Auch Werte haben eine lange Genese; man darf nicht so tun, als könne man sie aus dem Moment heraus, aus einer partikularen Situation, schöpfen." Es brauche diese Herkunft, diesen Werte-Ursprung, der das durch die Geschichte gewachsene Wissen, "die gesammelten Erfahrungen, die Entwicklungen und Fehlleistungen der Menschheitsgeschichte sammelt und damit die Nachhaltigkeit unserer Werte garantiert".
Jede Generation habe so etwas wie einen "Werte-Fußabdruck", betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz: "Welche Werte wurden ausgereizt, abgeschafft oder gar ent-wertet. Auch wir werden uns anfragen lassen müssen, wie es mit unserem Wertebewusstsein steht, wie wir mit dem uns Überantworteten und Weitergegebenen umgegangen sind."
Er denke in diesem Zusammenhang etwa an die Menschenrechtskonvention, die auf dem Begriff der Personenwürde fußt, der die Unverfügbarkeit des Anfangs und Endes menschlichen Lebens einschließt. Dieser habe die Herkunft aus einer griechisch, jüdisch-christlicher Geistes- und Glaubensgeschichte, so Lackner: "Als christliche Kirchen und Glaubensgemeinschaften obliegt uns die Aufgabe, Hüter des Salzes zu sein, auf dass es nicht schal wird. Wir kommen aus einer Tradition, der aufgetragen wurde, nicht die Asche zu verwalten, sondern das Feuer zu hüten. Diese Zugabe hilft gegen Werteverschleiß und ist Garant für die Haltbarkeit von Werten."
Mit seinem Appell bzw. seiner Bitte wolle er zugleich aber auch seinen großen Dank verbinden "für die Leistungen seitens der Politik und öffentlichen Stellen". Er dürfe "im Namen aller christlichen Kirchen danken für das Engagement und die Verantwortung, die Sie für die Gesellschaft und unser Land übernehmen", so Lackner in Richtung der zum Gottesdienst versammelten Politiker und darüber hinaus.
Die Initiative zum ökumenischen Gottesdienst mit den Parlamentariern ging wie schon in den Vorjahren vom Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, aus, der für Einladung und Vorbereitung zuständig war. Für die musikalische Gestaltung sorgte das Vokalensemble St. Stephan unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Landerer.
Quelle: kathpress