Elbs: Coronavirus kann man messen, Glauben aber nicht
Es gibt einen PCR-Test für das Coronavirus, aber: "Mit welchem Gerät wollen wir den Glauben messen?" Mit diesem Hinweis hat der Feldkircher Bischof Benno Elbs Daten relativiert, die einen Bedeutungsverlust der Kirche anzeigen. Wie deren Zukunft aussieht, wisse er nicht, sagte Elbs im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen: "Die Großwetterlage und die Entwicklung der Gesellschaft werden wir nicht beeinflussen können." Das "Schielen auf die Entwicklung der Kirche" führe in eine depressive Grundhaltung, warnte der ausgebildete Psychotherapeut. Es gehe darum, den kirchlichen Auftrag und die je konkrete Antwort auf die Frage "Was würde Jesus tun?" mit Freude, Zuversicht, Elan, Kreativität und Intelligenz umzusetzen.
In Bezug auf den Glauben habe er immer wieder Überraschungen erlebt, so der Vorarlberger Bischof, der am 16. Oktober seinen 60. Geburtstag feiert: Er berichtete von Leuten, die den Eindruck großer Distanz erwecken und "die dann doch tief drinnen sind"; umgekehrt gebe es andere, "wo man meint, sie wären drinnen, aber bei Entscheidungen merkt man, sie sind weit weg von der Nächstenliebe!" Er habe längst aufgehört "zu sagen, wer dazugehört und wer nicht".
Elbs erinnerte daran, dass dies auch bei Jesus zu beobachten gewesen sei: "Manche waren eng verbunden, manche haben ihn einmal im Leben getroffen, manche wurden von ihm geheilt und haben ihn nie wiedergesehen, manche haben ihn gelegentlich getroffen." Unterschiedliche Zugehörigkeit entspreche der heutigen pluralen Gesellschaft und sei positiv zu sehen. "Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Realität nicht sehen will", merkte der Bischof an. "Ich kann Statistiken lesen, aber ich lebe nicht für die Statistiken."
Prägend für ihn sei seine Therapie-Ausbildung bei Viktor Frankl (1905-1997) gewesen, er habe den Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse noch persönlich erlebt - "ein großes Geschenk". Elbs sei auch heute noch als Psychotherapeut tätig sind, was aus seiner Sicht mit der Seelsorge "perfekt zusammenpasst". Sein "therapeutisches Credo" sei, dass jeder Mensch "heiliger Boden" ist. Wichtig sei auch eine selbstkritische Einschätzung, ob er einem Menschen helfen kann bzw. "wo ich überfordert bin". Auch für die Seelsorge gelte: "Wenn ich vorgaukle, dass ich etwas weiß oder kann, was ich nicht kann, hilft das niemandem."
Selbsteinschätzung und Offenheit
Das sei für ihn "das Zauberwort auch in der Leitung der Diözese", erklärte der Bischof den sperrigen Begriff "Inkompetenzkompensationskompetenz": "Ich muss wissen, was ich nicht kann, und muss eine Kompetenz haben, meine Inkompetenz durch andere Kompetenzen zu kompensieren." Als Bischof sei er vom Typ her ein Seelsorger und weniger ein Organisator. Insofern habe das Suchen von guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen enormen Stellenwert. Und in der Diözese Feldkirch gebe es sehr gute Amtsleiter, versicherte Elbs.
Ein weiteres Spezifikum der katholischen Kirche in Vorarlberg: "Bei uns gibt es eigentlich keine Hürde zum Bischof", wie Elbs sagte. Er besuche Schulen, wenn er eingeladen wird, habe Kontakte mit Jugendlichen in Hotspot-Talks oder mit Bewohnern von Altenheimen. Der Vorarlberger Mentalität entspreche es, dass ihm "jeder alles direkt sagt" - und "ich bin froh darüber". Elbs erinnerte an Papst Franziskus, der auch für "Mut zum offenen Wort" plädiere. "Das ist auch unsere Kultur, und dann bleibst du auf dem Boden."
Quelle: kathpress