Schönborn: Covid-Pandemie verschärft Hunger in der Welt
"Bei aller Sorge um Corona bei uns dürfen wir den Hunger in der Welt nicht vergessen." In seiner aktuellen Freitagskolumne in der Gratiszeitung "Heute" warnte Kardinal Christoph Schönborn vor einer Zunahme von Hunger und Armut in der Welt. Das sei auch eine Folge der Covid-19-Pandemie, die die Situation in den Krisenländern deutlich verschärft habe. "Wer nichts zu essen hat und nicht weiß, wie er seine Familie ernähren kann, dem ist alles andere unwichtig, auch Corona", so der Wiener Erzbischof.
Weltweit seien 690 Millionen Menschen unterernährt, vor allem in Afrika südlich der Sahara. Besonders hart von Armut und Hunger betroffen seien Kinder, "die oft bis auf die Knochen abgemagert sind". Allein im Jahr 2018 sind 5,3 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag an den Folgen von Unterernährung gestorben.
Dass der Friedensnobelpreis heuer an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen geht, bezeichnete Schönborn als Hoffnungszeichen: Das Welternährungsprogramm helfe Millionen von Menschen im täglichen Kampf gegen den Hunger und sichere ihr Überleben. Die Staatengemeinschaft der UNO habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 weltweit den Hunger auszurotten. Erreichbar sei das aber nur, "wenn, statt Unsummen für Waffen auszugeben, allen Menschen Zugang zu Nahrung und sauberem Trinkwasser ermöglicht wird", zeigte sich der Wiener Erzbischof überzeugt. Nachsatz: "Das wäre der schönste Sieg!", so Schönborn anlässlich des UN-Welternährungstages (16. Oktober).
Hunger- und Umweltkrisen
Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" und die Menschenrechtsorganisation FIAN haben anlässlich des Welternährungstages das "Jahrbuch zum Recht auf Nahrung" präsentiert. Darin werden die Ursachen von Umweltzerstörung, Hunger und Ausbeutung erläutert und Handlungsalternativen vorgestellt.
"Die industrielle Landwirtschaft ist mit dem Versprechen angetreten, den Hunger zu besiegen. Doch die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden, steigt seit fünf Jahren kontinuierlich an - trotz stark wachsender Agrarproduktion", so Aleksandra Kolodziejczyk von "Brot für die Welt". Parallel dazu werde die Ernährung immer einseitiger. Nur drei Pflanzen - Mais, Reis und Weizen - sicherten heute 60 Prozent der weltweiten pflanzlichen Kalorien und Proteine. Weiters nutze die Menschheit aktuell nur noch 4 Prozent der etwa 300.000 essbaren Pflanzen tatsächlich für die Ernährung.
Das neue Jahrbuch erläutert auch Zusammenhänge rund um Zunahme des Hungers - etwa mit dem Klimawandel, mit dem Verlust der Biodiversität, mit der Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Zoonosen - und dies wiederum mit der Verdrängung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die industrielle Agrarproduktion.
Als großes Problem bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen bezeichneten die Hilfsorganisationen, dass Mensch und Natur immer weniger zusammen gedacht werden. "Die Menschenrechtspakte schweigen sich weitgehend über Umweltfragen aus, und die UN-Umweltabkommen zu Biodiversität und Klima äußern sich nicht zu Menschenrechten", so die Kritik von FIAN und "Brot für die Welt".
"Wenn wir das Recht auf Nahrung umsetzen und Ernährung ausgewogen gestalten wollen, müssen wir die Ernährungssysteme in Richtung Agrarökologie entwickeln. So erhalten wir die Vielfalt der Sorten, und die Landwirtschaft kann sich besser an die Folgen des Klimawandels anpassen", betonte Kolodziejczyk. Dafür notwendig sei aber die Stärkung der Rechte von Bauern, indigenen Völkern und all jener Gemeinschaften, die sich um lokale Ökosysteme kümmern und mittels der Agrarökologie nachhaltig Nahrungsmittel produzieren. Kleinbauern und Indigene seien schon jetzt die Vorreiter eines solchen Wandels, "denn sie produzieren bis zu 80 Prozent der Lebensmittel im globalen Süden, obwohl sie nur über 25 Prozent der Agrarfläche verfügen".
(Link zum Jahrbuch: https://www.righttofoodandnutrition.org/files/rtfn_watch12-2020_eng.pdf)
Quelle: kathpress