Trump-Kandidatin Amy Coney Barrett
Theologen skeptisch über katholische US-Höchstrichterin
Trump-Kandidatin Amy Coney Barrett
Theologen skeptisch über katholische US-Höchstrichterin
Im Vorfeld der US-Wahl haben sich österreichische katholische Theologen und Kenner der Vereinigten Staaten skeptisch über die Unabhängigkeit der jüngst ernannten katholischen Höchstrichterin Amy Coney Barrett geäußert. In einem Kommentar für den "Standard" (2. November) wirft der Grazer Sozialethiker Kurt Remele dem neuen Mitglied des Supreme Court vor, sich für die politischen Ziele von US-Präsident Donald Trump "instrumentalisieren" zu lassen. Der Salzburger Religionswissenschaftler Andreas Weiß befürchtet laut seinem "Barrett-Porträt" in der jüngsten Ausgabe der "Furche", dass der Supreme Court eine Nichtigkeitsklage Trumps nach verlorener Wahl unterstützen könnte.
Und der Salzburger Theologe Clemens Sedmak stellte angesichts der am Ende der Präsidentschaft Trumps tief gespaltenen USA in der Wochenendausgabe der "Salzburger Nachrichten" (SN) die Frage: "Erleben wir hier den Anfang vom Ende eines Landes als Weltmacht?"
Problematische Prägung Barretts?
Kurt Remele vom Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Grazer Katholisch-Theologischen Fakultät zeigte in seiner ausführlichen Vorwahl-Analyse die Allianz zwischen evangelikalen Protestanten und rechtskonservativen Katholiken, aus deren Umfeld auch Höchstrichterin Barrett stamme, bei der Unterstützung Trumps auf. Beide gehörten zu den "treuesten Wählern" des für "Machtfantasien" und "Größenwahn" anfälligen Mannes im Weißen Haus. Barrett schloss sich laut Remele der "katholischen Pfingstbewegung" der "People of Praise" an, die 1992 vom damals zuständigen Ortsbischof Albert Ottenweller visitiert wurde. Im Schlussbericht habe er sich "erschüttert" über das Ausmaß an Kontrolle gezeigt, der Angehörige dieser Gruppe ausgesetzt seien.
Vor diesem Hintergrund äußerte der Grazer Theologe, der mehrmals Gastprofessor an US-amerikanischen Universitäten war, Zweifel, ob Barrett als Höchstrichterin zu dieser religiösen Prägung auf Abstand gehen kann.
Remele fasste die politischen Ziele der von Protestanten und Katholiken in der "Christian Right" wie folgt zusammen: Kampf gegen Homosexuelle und Feministinnen, gegen Einschränkungen des individuellen Waffentragens wie auch der atomaren Abschreckung, gegen staatliche Wohlfahrtsprogramme, Sterbehilfe und vor allem Abtreibung. Zu letzterem merkte der Sozialethiker kritisch an, so fokussierte Christen würden den umfassenden Schutz des Lebens auf eine "embryozentrische Moral" verkürzen und dabei ausblenden, "dass Leben und Sterben auch nach der Geburt weitergehen".
"Gegenstück zum liberalen Katholiken Biden"
Als "symbolisches Gegenstück zum liberalen Katholiken Joe Biden", dem Kandidaten der Demokratischen Partei, bezeichnete Andreas G. Weiß in der "Furche" (44/2020) das "im Eilzugstempo" ernannte neue Mitglied im Supreme Court. Dessen von Donald Trump forcierte konservative Zusammensetzung lasse eine in Bezug auf Homosexualität, Abtreibung und Waffenbesitz "einzementierende" Linie erwarten.
Hinter diesem "deutlichen Signal an Trumps Kernwählerschaft" könnte nach Einschätzung von Weiß auch "knallhartes Politkalkül" stecken: Kurz vor dem Wahltag sei immer noch unsicher, wie Trump im Fall einer Niederlage agieren könnte. "Käme es tatsächlich zu einer Anfechtung, könnte dem Supreme Court die Entscheidung zufallen, ob die Wahl 2020 anerkannt oder wiederholt werden muss." Als "medial hochstilisierte Marionette Trumps" werde die auf Lebenszeit ernannte, 48-jährige Amy Coney Barrett "erst einmal zu beweisen haben, wie neutral und sachlich sie in der Rechtssprechung agieren wird".
"Ein tief polarisiertes Land"
Die Wahlen in den USA zeigen jedenfalls "ein tief polarisiertes Land", wies der Philosoph und Theologe Clemens Sedmak in den "SN" hin. Er zog Parallelen zum Niedergang des römischen Reiches und auch des präantiken Ägyptens, der von Faktoren wie Tugendverfall, Verlust von Zusammenhalt und Einheit sowie Mangel an Kooperationsfähigkeit ausgegangen sei. "Ein Land, das gespalten ist und sich nach innen verschließt, verliert an Gewicht", so Sedmak. "Amerika zuerst" könne somit zum Slogan werden, der einen Abschied einläutet.
Quelle: Kathpress