Sozialethiker: Halber Mantel Martins hat politische Sprengkraft
Mit einem Gedankenspiel zum Fest des heiligen Martin hat der Grazer Sozialethiker Prof. Kurt Remele unterstrichen, dass dessen mitfühlendes Handeln politische Sprengkraft hat. Seine in der "Kleinen Zeitung" vom Mittwoch vertretene These: "Lebte der heilige Martin heute, würde er mit Kritik überhäuft." Nicht wenige würden die spontane Bereitschaft, den eigenen Mantel mit einem frierenden Bettler zu teilen, trotz guter Absicht als "unverantwortlich" bezeichnen. "Man würde ihm vorwerfen, seine Tat stelle reine Gesinnungsethik dar", statt die "zeitlos gültige" ethische Dimension anzuerkennen und auf gegenwärtige Notlagen wie jene der Flüchtlinge in griechischen Lagern anzuwenden.
In Remeles Ausführungen lassen sich leicht politische Argumentationsmuster erkennen, die aus heutigen Debatten bekannt sind. Wenn gehandelt werde wie der römische Soldat Martin, würden sich Bettlerbanden an den Straßenrändern der Stadt niederlassen, um von berittenen Soldaten halbe Mäntel zu fordern, so Remele in seinem Gastkommentar. Bei den Bettlern handle es sich zumeist um arbeitsscheue Existenzen, deren Faulheit durch Martins Mildtätigkeit gefördert würde. Dies zerstöre den Leistungswillen der Fleißigen und gefährde die Stabilität einer Gesellschaft. Deshalb sollten Bilder und Statuen des heiligen Martin aus Kirchen entfernt werden, Martinsumzüge seien ein für alle Mal einzustellen, trieb der Theologe sein Gedankenspiel auf die Spitze.
Ein derartiger Denkmalsturz werde von niemandem ernsthaft gefordert, räumte Remele ein. "Die Einwände aber, die gegen Martin heute gerichtet würden, gleichen jenen, die gegen all jene erhoben werden, die minderjährige, von ihren Eltern getrennte Flüchtlinge aus menschenunwürdigen griechischen Lagern nach Österreich holen wollen."
Quelle: kathpress