Scheuer für Empathie statt Pochen auf Systemrelevanz
Die Fähigkeit zu Empathie und Mitleid ist für den Linzer Bischof Manfred Scheuer zentral bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Dementsprechend seien bei den Krisenbesprechungen in seiner Diözese nicht Fragen im Mittelpunkt gestanden wie "Wie kommen wir über die Runden? Wie halten wir das eigene System aufrecht?"; auch nicht die Behauptung: "Wir sind systemrelevant!", sondern "Wer wird jetzt übersehen? Wer braucht jetzt was? Wie können die Leute gut leben und auch sterben?" Alle von der Krise mitgenommenen, von Einsamkeit bedrohten Menschen wollten jetzt wahrgenommen werden, sie "freuen sich, wenn ihnen jemand zuhört und sie versteht", so Scheuer.
Der Linzer Bischof äußerte sich bei einer Fachtagung über "Liturgie und COVID 19", die die Katholische Privat-Universität (KU) Linz gemeinsam mit dem Österreichischen Liturgischen Institut am Freitag und Samstag veranstaltet. Zugeschaltet bei dieser Online-Veranstaltung waren Theologen aus Österreich, Deutschland und Italien, die sich über die Auswirkungen der Pandemie auf Gottesdienste und das Leben der Kirchen austauschten. Referent Bischof Scheuer sagte dazu laut seinem Kathpress vorliegenden Manuskript, Covid habe die Gesundheit als politische, als ethisches, als wirtschaftliches, als wissenschaftliches und als kulturelles Problem vor Augen geführt. Reine Fakten- und Evidenzorientierung würden hier für eine ethische und politische Urteils- und Entscheidungsfindung nicht ausreichen.
"Gestus der Empörung" hilft nicht
"Und was ist Aufgabe und Verantwortung der Kirche in solchen Zeiten?", fragte der Linzer Bischof: "Den Staat in seiner Aufgabe für die Gesundheit und für das Gemeinwohl zu stützen oder mit dem Gestus der Empörung auf das Versagen der politischen und auch kirchlichen Verantwortungsträger hinzuweisen?" Über seine Präferenz ließ Scheuer keinen Zweifel. Es gelte ethische Orientierung z.B. in Fragen der Triage zu geben, Mut zu machen, Hoffnung zu bezeugen oder diakonisch zu wirken. Alle Grundvollzüge von Kirche seien nur inkarnatorisch zu leben, "d.h. sie sind in eine solidarische und kritische Zeitgenossenschaft hineingestellt", stellte Scheuer klar.
Kritik begegne ihm z.B. in Bezug auf den "Gottesdienst-Lockdown", mit dem die Bischofskonferenz die Infektionsschutzmaßnahmen der Regierung unterstützt. "Da wird das Gewissen beschworen, in dem wir Widerstand gegen die Gesetze der staatlichen Obrigkeit leisten müssten", berichtete Scheuer über Rückmeldungen. Ihm gegenüber sei sogar Franz Jägerstätter in der Absicht genannt worden, "dessen Verhältnis zum NS-Staat mit dem Verhältnis von uns Bischöfen zur Bundesregierung aufzurechnen". Auch "neidische Vergleiche" habe es gegeben im Sinne von: Haben die Religionsgemeinschaften nicht Privilegien gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen wie z.B. Kunst und Kultur?
"Communio" auch außerhalb der Liturgie
Liturgie sei seit Ausbruch der Pandemie oft nur stellvertretend möglich gewesen, erinnerte Scheuer. "Und doch gab es da viel Kreativität, manchmal auch Stillstand bei Priestern und pastoralen Mitarbeitern", die Caritas sei vor großen Herausforderungen gestanden, ihren normalen "Betrieb" für Menschen in Not zu gewährleisten. "Communio" - Gemeinschaft - ereignet sich nach den Worten des Bischofs auch über Telefon, in der Hauskirche, beim Essen, bei Weggemeinschaften, bei einer Obdachlosenwallfahrt u.a.m.
"Nicht im Stich lassen und nicht im Stich gelassen werden, das zeichnet eine humane Gesellschaft und eine christliche Gemeinschaft aus", betonte Bischof Scheuer. Die Antwort auf die Frage "Was brauchst du?" könne lauten: Unterstützung beim Einkaufen, Nachbarschaftshilfe oder telefonische Kontakte, aber auch, "dass wir wieder einmal einen Brief schreiben ... und was es in Zeiten des Lockdown mit all den Maßnahmen braucht, ist Sachlichkeit, Achtsamkeit und die Kraft der Zuversicht, der Hoffnung", so Scheuer.
Über die Chancen und Probleme der Corona-Krise in Bezug auf Kirche und Liturgie referieren bei der Online-Tagung der KU Linz u.a. auch Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schikpa, der Linzer Theologe Prof. Ewald Volgger sowie der ehemalige Direktor der Caritas der Diözese Bozen-Brixen, Heiner Schweigkofler.
Quelle: kathpress