Bischof Glettler: Appell für mehr "soziale Wachsamkeit"
Angriffe wie der jüngste antisemitische Übergriff auf einen Rabbiner in Wien machen deutlich, dass gegen bestimmte Menschengruppen gehetzt und aufgewiegelt wird: Dieses Fazit zieht der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in einem von der Diözese Innsbruck veröffentlichten offenen Brief. "Der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird derzeit vielfach auf die Probe gestellt", hält der Bischof in dem Schreiben fest. Gemeinsam mit Magdalena Modler-El Abdaoui, der diözesanen Beauftragten für interreligiösen Dialog, ruft er darin zu mehr "sozialer Wachsamkeit" auf. "Überzeugt vom hohen Wert einer demokratischen Grundgesinnung sollten wir diesem erschreckend polarisierenden Geist keinen Raum geben", heißt es in dem auf dem diözesanen Onlineportal www.dibk.at (Samstag, 28.11.2020) nachzulesenden Brief.
Die Gesellschaft sei nach dem tätlichen Angriff auf den Rabbiner und dem Attentat am Allerseelentag in Wien aufgefordert, Fehlentwicklungen wahrzunehmen und sich nicht spalten zu lassen, füreinander einzustehen und sich "mindestens so intensiv gegen den Hass zu schützen, wie gegen das Coronavirus".
Hetze treffe meist "religiöse, ethnische und kulturelle Minderheiten zuerst. Das macht uns fassungslos", heißt es in der Stellungnahme. Zudem sei Zivilcourage auch im "ganz normalen Alltag gefragt", in dem es meist nicht um den Einsatz von Leib und Leben, sondern um ein verständnisvolles Zeichen oder ein verlässliches Nicht-Wegsehen gehe.
Zu denken geben auch die am Donnerstag angekündigten Schutzmaßnahmen für Kirchen und andere Einrichtungen von Religionsgemeinschaften. "Lassen wir uns aufgrund dieser angeordneten Präventivmaßnahmen nicht von den Erstimpulsen von Angst, Wut oder Schuldzuweisung leiten", appellieren Glettler und Modler-El Abdaoui. Emotionen wie diese könnten in die Irre führen. Gefragt sei vielmehr ein Schulterschluss "mit allen, die an einer gesunden, solidarischen Zivilgesellschaft interessiert sind und sich persönlich für ein bewährtes und belastbares Miteinander einsetzen". Der offene Brief ruft auch zu einem verstärkten interreligiösen Dialog auf allen gesellschaftlichen Ebenen auf.
"Stellen wir uns als Menschen, die Werte wie Respekt, Nächstenliebe und Mitgefühl hochhalten, vor allem gegen jede Fratze des Antisemitismus, gegen jeden Ausdruck des Hasses gegenüber Fremden und gegen jeden Spaltungsversuch unserer Gesellschaft", so Bischof Glettler und Modler-El Abdaoui. Und weiter: "Treten wir ein für eine starke und wache Zivilgesellschaft und für das hohe Gut der Freiheit und des Lebens, das uns von Gott geschenkt ist."
Quelle: kathpress