Theologin: Die "Sterndeuter" der Bibel sind nicht "esoterisch"
Die in der Bibel genannten "Sterndeuter" bzw. "Magier", die später in der christlichen Tradition zu den "Heiligen Drei Königen" wurden, sind nicht als "esoterisch" misszuverstehen. Wie die Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, am Dienstag auf Anfrage von Kathpress erklärte, stünden die im Matthäusevangelium - weder namentlich noch zahlenmäßig - genannten Männer nicht für Pseudowissenschaft, sondern für "weltliche Weisheit". Gerade dadurch werde die Vernünftigkeit der Inkarnation Gottes betont: "Quasi jeder vernünftige Mensch konnte in Jesus den Messias erkennen", lediglich die "verbohrten" Judenchristen, für die Matthäus sein Evangelium schrieb und die es eigentlich besser hätten wissen müssen, weigerten sich, Jesus als Christus anzuerkennen, so Birnbaum.
Wer dahinter ein wenig Antijudaismus vermutet, müsse wissen: Die Kritik an Herodes und der Obrigkeit zur Zeit Jesu stehe zutiefst in der prophetischen Tradition. Die Oberschicht werde wie schon im Alten Testament angeklagt, sich zu wenig an Gott auszurichten, wies die Bibelwissenschaftlerin hin.
Der Wiener Neutestamentler Prof. Markus Tiwald - ebenfalls von Kathpress befragt - sieht bei den biblischen "Magiern" ein späteres "Upgrade" zu Königen, die von den Enden der Welt gekommen seien, um dem Heiland zu huldigen. In der Legende der Heiligen Drei Könige komme zum Ausdruck, dass der Messias aus dem Haus Israel auch Nichtjuden das Heil bringe. Und wie so vieles im Neuen Testament und speziell im Matthäusevangelium habe sich aus christlicher Sicht damit "die Schrift erfüllt" - d.h. etwas im Alten Testament Vorhergesagtes sei eingetreten: beim Besuch der "Magier" die bei Jesaja prophezeite Völkerwallfahrt zum Zionsberg, wie Tiwald erläuterte.
Theologie contra Astrologie?
Dass heute Theologie und Astrologie eher Konkurrenten als Partner sind, kommentieren die beiden Fachleute wie folgt: Laut Neutestamentler Tiwald galt zur Zeit Jesu - im Unterschied zur nachaufklärerischen Theologie -, dass der Wille Gottes am Himmel ablesbar sei. In die Bewegung der Planeten war Gottes Weltordnung gleichsam eingeschrieben. Dem entspreche auch die als messianische Prophezeiung gedeutete Stelle im Buch Numeri (Num 24,17) vom "Stern aus Jakob", der auch dem jüdischen Rebellen gegen die Römer, Bar Kochba ("Sternensohn"), zugeschrieben wurde.
Auf die Bileam-Weissagung in Num 24 verwies auch Elisabeth Birnbaum, wenn sie sagt, dass ihrer Meinung nach der von den Sterndeutern verfolgte Stern von Betlehem "mit Astrologie nichts zu tun". Dass ein Stern aufgeht, sei eine bis heute übliche bildsprachliche Redewendung. "Die Frage, ob es historisch eine solche Sternkonstellation gegeben hat, geht meiner Meinung nach am Text vorbei", so die Bibelwerksdirektorin.
"Die Bibel ist kein Geschichtsbuch, sie ist ein Glaubensbuch", bekräftigt dazu Markus Tiwald. Und sie bediene sich einer bildhaften Sprache im Sinn der "Aggada", die die "Halacha" - das Gesetz - ergänzenden nichtgesetzlichen Inhalte der rabbinischen Tradition. So wie "Mythos" und "Logos" stehen sie laut dem Bibelwissenschaftler für unterschiedliche Herangehensweisen an die Wirklichkeit, die beide unverzichtbar seien. Auch heute, wie Tiwald mit einem Vergleich darlegt: Wenn jemand den Sonnenuntergang bewundert, werde ihn wohl niemand dahingehend korrigieren, dass dabei nicht die Sonne "untergeht", sondern sich nur die Erde weiterdreht.
"Historisch belegbar" und "wahr" nicht dasselbe
"Historisch belegbar" und "wahr" seien nicht unbedingt dasselbe, erklärte Elisabeth Birnbaum. Die Kindheitsgeschichten bei Matthäus und Lukas wollten "zeigen, wer dieser Jesus ist und nicht in erster Linie chronologische Tatsachenberichte liefern". Es sei um "Heilswahrheiten" gegangen.
Freilich gebe es immer auch Legendenbildung im Glauben: "Dass Menschen Leerstellen in Texten zum Weiterdenken nützen, also z.B. wissen wollen, wie viele Magier gekommen sind, ist nur natürlich", merkte Birnbaum an. Zwischen Bibeltext und weiterführenden Ausgestaltungen müsse dennoch differenziert werden. Wenn manche Heilswahrheiten aus den Texten durch weiteres Nachdenken erst offenbar werden, könne man sie aber auch nicht einfach als "erfunden" darstellen. Die Bibelwerksdirektorin erinnerte daran, dass sich auch die Christologie erst nach und nach entwickelte. "Jede weitere Ausgestaltung muss sich aber natürlich hinterfragen lassen, ob sie noch auf der Basis des Bibeltextes steht."
Quelle: kathpress