"Ein großer Verlust": Theologen würdigen Hans Küng
Als "einen der großen deutschsprachigen Theologen der katholischen Weltkirche" und "Galionsfigur der nachkonziliaren Reformbewegungen" in der Kirche hat der Wiener Theologe Paul Zulehner den in Tübingen verstorbenen Schweizer Hans Küng (1928-2021) gewürdigt. In seinem Blog schrieb Zulehner noch am Dienstag, dem Todestag des Konzilstheologen, von einem "großen Verlust". An der Bedeutung Küngs ändere auch nichts, dass ihm die Lehrerlaubnis entzogen wurde, als er die Unfehlbarkeit des Papstes infrage gestellt hatte - ein Thema, zu dem nach den Worten Zulehners gerade heute in der Ökumene wieder engagiert geforscht wird.
Will man Hans Küng einordnen, so passe wohl der Ehrenname "liberaler Theologe", befand der emeritierte Wiener Pastoraltheologe. Anders als bei dem auch erst kürzlich verstorbenen Münsteraner Begründer der politischen Theologie, Johann B. Metz, dessen theologisches Ringen vorrangig um die Gerechtigkeit gekreist sei, ging es Hans Küng vorrangig um die Freiheit, wies Zulehner hin. "Damit setzte er einen klaren Kontrapunkt gegen die vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil starken antimodernistischen Kräfte, die bis heute nicht verstummt sind." An Küng hätten sich Reforminitiativen wie die "Kölner Erklärung", das "KirchenVolksbegehren" und "Wir sind Kirche" orientiert.
Bei all seiner Kirchenkritik habe der 93-jährig Verstorbene aus dem reichen Schatz der Tradition geschöpft, erinnerte Zulehner. Und so kritisch er gegenüber Missständen in der katholischen Kirche gewesen sei: "Wie auch Karl Rahner lehnte er es ab, trotz vielfältiger Widerstände gegen seine freie Rede aus der Gemeinschaft der Kirche auszutreten." Küngs Buch "Christsein" sei für Studierende ebenso wie Joseph Ratzingers "Einführung in das Christentum" selbstverständliche Pflichtlektüre gewesen.
Im Licht der Ewigkeit, die Küng nun umfangen habe, "wird vielleicht ... manches nicht standhalten", räumte Zulehner ein: "Aber er wird angemessene Wertschätzung empfangen, die ihm in der langen Zeit seines theologischen Wirkens von manchen Verantwortlichen der Kirche leider verwehrt geblieben ist."
Kirchenkritik "nie Selbstzweck"
Ein ausführlicher Nachruf auf Hans Küng als "Arbeiter im Weinberg des Herrn" findet sich auch auf der in Österreich beheimateten theologischen Feuilleton-Website feinschwarz.net. Bernd Jochen Hilberath, Küngs Nachfolger auf dessen Lehrstuhl an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen, hinterfragte darin den vielfach auf den Verstorbenen gemünzten Begriff "Kirchenrebell": "Wer den Menschen und Priester Hans Küng näher kennenlernen durfte ..., hat erfahren, wie einseitig und missverständlich diese in den Medien beliebte Charakterisierung ist", schrieb Hilberath.
Wie Küng hätten auch andere namhafte Theologen der (Nach-)Konzilszeit erfahren müssen, "dass Kritik an der Institution und ihrem (Macht-)Anspruch am allerwenigsten toleriert wird". Dabei gehe es doch um nichts anderes als um "Re-form", um eine Erneuerung des Katholischseins und der Kirche im Sinne des Evangeliums. Küngs Kirchenkritik war nach den Worten seines Nachfolgers nie Selbstzweck, "sondern diente der Verlebendigung der kirchlichen Gemeinschaft, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil erhofft wurde und die bis heute vor gewaltigen Herausforderungen steht".
"Innovativ, unbeugsam, medienwirksam"
Mit dem beim Zweiten Vatikanischen Konzil als theologischer Berater mitwirkenden Hans Küng sei "wohl die letzte Galionsfigur der Konzilszeit von uns gegangen", teilte die Grazer Bibelwissenschaftlerin Irmtraud Fischer mit. Er sei ein innovativer Theologe gewesen, zudem unbeugsam und medienwirksam - drei Eigenschaften, die ihm ein "Alleinstellungsmerkmal" verliehen hätten, so die Verfasserin der ersten katholisch-theologischen Frauenhabilitation in Österreich gegenüber Kathpress.
(Links: https://zulehner.wordpress.com; www.feinschwarz.net)
Quelle: kathpress