500 Jahre Luther in Worms: Was hat das mit Österreich zu tun?
Es war zweifellos ein evangelisches Ereignis mit medialer Breitenwirkung und großer Strahlkraft: Das "Lutherjahr" und Reformationsgedenken 2017. Im Fokus stand der Thesenanschlag Martin Luthers vom 31. Oktober 1517 zu Wittenberg, der damals 500 Jahre her war und den Anstoß zur Reformation und schließlich zur bis heute nicht überwundenen Kirchenspaltung gab. Wohl auch aus diesem Grund wird das aktuelle, heurige Gedenken weitaus weniger medienwirksam begangen; denn was sich in diesen Tagen vor 500 Jahren am 17. und 18. April 1521 auf dem Reichstag in Worms ereignete, war nichts anderes als der nächste Schritt auf dem Weg zur Konfessionalisierung. Er mündete schließlich in das "Wormser Edikt" und die Reichsacht, die am 8. Mai 1521 über den Reformator verhängt wurde.
Was geschah in Worms vor 500 Jahren - und was hat das ganze mit Österreich zu tun? Der Reformator hatte einen großen, ja, entscheidenden Auftritt vor den Reichsständen und Kaiser Karl V.: Er sollte seine Lehren und Thesen widerrufen und sich Kaiser und Papst damit unterwerfen. Der Vorwurf der Ketzerei stand im Raum, im Dezember 1520 hatte Luther demonstrativ die Bannandrohungsbulle des Papstes verbrannt; Papst Leo X. hatte im Jänner 1521 daraufhin Luther und seine Anhänger exkommuniziert. In Erwartung einer intensiven theologischen Diskussion über seine Thesen war er - unter Zusicherung des freien Geleits - nun nach Worms gereist und am 17. und 18. April 1521 vor den Kaiser getreten. Aber er wurde herb enttäuscht. Es ging rein um die Unterwerfung, den Widerruf. Irritiert bat sich Luther nach seinem Verhör am 17. April einen Tag Bedenkzeit aus.
"Ich werde nicht einen Buchstaben widerrufen"
Und genau in dieses Vakuum hinein, in diesem Moment des Luftholens, in dem sich der weitere Verlauf nicht nur der Reformationsgeschichte, sondern der Geschichte des Christentums insgesamt entscheiden sollte, fällt Luthers Kontakt nach Österreich. So schrieb er am 17. April 1521 im Anschluss an sein Verhör einen Brief an den in Wien lebenden (und im Stephansdom begrabenen) Professor der Universität Wien, Dichter, Historiker und Diplomaten Johannes Cuspinian (1473-1529): "Zu dieser Stunde habe ich vor dem Kaiser und dem römischen Reich gestanden und bin gefragt worden, ob ich meine Bücher widerrufen wolle. Da habe ich geantwortet: die Bücher seien allerdings die meinigen. Wozu ich mich übrigens in Bezug auf den Widerruf entschließen würde, würde ich morgen sagen, da mehr Raum und Zeit zum Überlegen weder begehrt noch gegeben war. Aber ich werde auch nicht einen Buchstaben widerrufen, wenn Christus mir gnädig ist."
Eine quasi literarische Vorwegnahme eines weiteren, im Nachgang zu Worms schließlich weltberühmt gewordenen Zitats Luthers, mit dem er tags darauf am 18. April 1521 schließlich seine Rede beendete und begründete, warum er gerade nicht widerrufe: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen." Ein Satz, der laut der evangelischen Wiener Kirchenhistorikerin Astrid Schweighofer so zwar nie von Luther gesagt worden war, der aber sehr treffend den Charakter und wohl auch die prinzipielle Haltung Luthers zum Ausdruck bringe.
In seiner Verteidigungsrede hatte Luther dargelegt, warum er dem Papst und den Konzilien nicht glaube, denn es sei offenkundig, "dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben". Daraus schlussfolgerte der Reformator, dass es ihm nicht möglich sei, zu widerrufen: "... wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde, ... so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift ... überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!"
Gegen "Irrungen, Zwietracht, Ungehorsam" in Österreich
Dem 21-jährigen Habsburger Karl V. blieb nichts anderes übrig, als dem Wunsch des Papstes Folge zu leisten und die Reichsacht über Luther zu verhängen - festgehalten am 8. Mai 1521 im "Wormser Edikt", das Luther zum Ketzer und von der Kirche ausgeschlossen erklärte. Der Reformator war da schon längst abgereist und befand sich - unter dem Schutz seines Landesherren, des Kurfürsten Friedrich des Weisen, stehend - in Sicherheit und inkognito als "Junker Jörg" auf der Wartburg, wo er sich an die Übersetzung des Neuen Testaments machte. Die faktische Durchsetzung des Wormser Edikts gestaltete sich schwierig, führte Schweighofer im Gespräch mit Kathpress aus. Schließlich gab es auch unter den Landesherren Anhänger Luthers.
Einen wichtigen und für Österreich folgenreichen "Schub" zur Umsetzung des Edikts brachte laut Schweighofer dann der "Regensburger Konvent" von 1524, bei dem auf eine strengere Durchführung des Editks und der Ächtung Luthers bzw. seiner Anhänger und Schriften gepocht wurde. In Österreich hatte sich da bereits Erzherzog Ferdinand I. (1503-1564) der Sache angenommen und die Schriften Luthers verboten. Es entstünden dadurch "Irrungen, Zwietracht, Ungehorsam und Widerwillen in Unsern christlichen Religion", was er nicht dulden könne, heißt es in einem Edikt Ferdinands I. vom 12. März 1523.
Und es dauerte nicht lange, da sollte die verschärfte Gangart gegen die Anhänger Luthers auch in Österreich die ersten Opfer fordern, wie Schweighofer berichtet: So wurde etwa 1524 der evangelische Tuchhändler Caspar Tauber als Ketzer verurteilt und hingerichtet. Man hatte ihm zuvor aufgetragen, an drei Sonntagen im Büßergewand barfüßig mit einem Strick um den Hals an der Pforte des Stephansdoms zu stehen und öffentlich zu widerrufen - als er dem nicht nachkam, wurde er hingerichtet. 1527 wurde außerdem in Schärding der Lutheranhänger Leonhard Kaiser hingerichtet. "Bei all diesen Verfolgungen wurde immer wieder auf Worms und das Wormser Edikt Bezug genommen", so Schweighofer.
Verhärtete Fronten
Zur Einordnung der Konflikte trägt außerdem der evangelische Theologe und Historiker sowie Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner bei. In einem Beitrag für die März-Ausgabe der evangelischen Zeitschrift "SAAT" beschreibt Trauner die konfessionellen Konfliktlinien in Österreich: So war etwa die Universität Wien in jener Zeit laut Trauner ein "Zentrum des Humanismus und sympathisierte mit der Reformation". Ein Jahr nach dem Reichstag in Worms kam auf Einladung des Wiener Bischofs Georg von Slatkonia (1456-1522) sogar ein evangelischer Theologe nach Wien, der 1522 im Stephansdom über das evangelische Kernthema, die Gnadenlehre, predigte: Paul Speratus (1484-1551). Trauner: "Zunächst ging das Eindringen reformatorischer Vorstellungen gerade in Wien aber eher unauffällig vor sich. Viele versuchten einen Mittelweg zwischen den sich ausbildenden Konfessionen oder vertraten einen Reformkatholizismus, also das Bemühen um Umsetzung reformatorischer Ideen innerhalb der Katholischen Kirche."
Die Fronten verhärteten sich laut Trauner jedoch zusehends, waren die Habsburger als dezidiert katholisches Geschlecht doch erklärte Gegner der Reformation: "Dafür wurden die Adeligen zu Trägern der evangelischen Bewegung in Österreich. Die habsburgischen Landesherren verfolgten aber 'ihre' Evangelischen." Selbst der bereits zitierte Johannes Cuspinian wandte sich - im Dienst der Habsburger stehend - schließlich von seinem vormaligen Freund Luther ab. Worms - der Reichstag sowie das gleichnamige Edikt - ging als auch am vermeintlich geschlossen-katholischen Österreich nicht spurlos vorbei.
Quelle: kathpress