Theologe: "Wir dürfen hoffen, dass die Hölle leer ist"
"Leben nach dem Tod. Die christliche Hoffnung verstehen" lautet der Titel des neuen Buches des Wiener Theologen und Sekretärs von Kardinal Christoph Schönborn, Hubert Philipp Weber. Was kommt nach dem Tod? Diese Frage beschäftigt die Menschen seit jeher. Im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" spricht Weber über sein Buch bzw. zentrale christliche Glaubensinhalte: Was es mit dem Himmel auf sich hat, was mit der Hölle und warum die Lehre vom Fegefeuer in Wirklichkeit ein Heilskonzept ist. Und er sagt u.a. wörtlich: "Wir dürfen hoffen, dass die Hölle leer ist."
Weber: "Das Bild von der Hölle möchte in uns wachhalten, dass das, was wir tun, Konsequenzen hat. Dass es möglich ist, sich gegen Gott zu entscheiden. Denn Gott hat den Menschen die Freiheit gegeben. Und Freiheit hat nur dann einen Sinn, wenn sie ernst genommen wird." Um des Ernstes der Freiheit willen sei die Lehre von der Hölle wichtig, von der Möglichkeit, sich auch endgültig gegen Gott zu stellen. Andererseits "ist es nicht unsere Aufgabe, irgendjemanden in die Hölle zu wünschen und zu sagen, wir hätten gerne diesen oder jenen dort, Judas oder Nero oder Hitler oder Stalin. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir können diese Aufgabe ganz getrost Gott überlassen", so Weber und weiter wörtlich: "Wir sollen und dürfen für alle hoffen, dass Gott sie erlöst. Dass Gott Versöhnung findet, die alle Menschen einschließt. Wir dürfen hoffen, dass die Hölle leer ist."
Die Lehre vom Fegefeuer, die in der Bibel nur sehr am Rande vorkommt, habe sich in der spätantiken und mittelalterlichen Theologie entwickelt, erläutert der Theologe weiter. Vereinfacht gesagt: "Wir wollen in der Vollendung auch selber vollendet sein, wollen, dass das, was uns daran hindert, mit Gott unbefangen in Begegnung zu kommen, dort keine Rolle mehr spielt. Und das möchte die Lehre vom Fegefeuer zeigen: Dass Gott den Raum der Vorbereitung gibt, das reinigt, was mich selbst daran hindert, Gott begegnen zu können." Die Lehre vom Fegefeuer sei deshalb ein Heilskonzept, "denn das Fegefeuer hat einen Eingang, den Tod, und einen Ausgang, die Vollendung, die Seligkeit".
Weber kommt auch auf das "Jüngste Gericht" zu sprechen, in dem "die Sehnsucht nach Versöhnung am stärksten zum Ausdruck kommt". Dabei gehe es um ein individuelles und allgemeines Gericht. "Das individuelle Gericht sagt mir etwas über mich selbst. Wie sieht es mit meinem Leben aus? Mit meinem Geschick? Was ist in meinem Leben gutgegangen und was nicht? Es ist gedacht als Begegnung, die mir Aufschluss und Klarheit über mein Leben gibt." Aber diese Klarheit habe nur Sinn, "wenn sie auch in einen allgemeinen Prozess eingebracht werden kann, in einen Prozess, wo die, die Böses getan haben, die, denen Böses angetan wurde, um Vergebung bitten können. Und die, denen etwas angetan wurde, vergeben können."
Dieses allgemeine Gericht sei die Voraussetzung dafür, "dass Vollendung gelingen kann, denn Vollendung hat nur einen Sinn, wenn wir miteinander vollendet werden, wenn die Gemeinschaft der Menschen neu konstituiert wird, wenn die Schöpfung erneuert wird. Das ist das Ziel, auf das alles hin geht. Aber das setzt eben Versöhnung voraus, und das ist im Prozess des Jüngsten Gerichts gemeint."
Und auf den Begriff "Himmel" angesprochen, erläutert der Theologe: "Wir sprechen, wenn wir von einer gelungenen Vollendung sprechen, meistens vom Himmel. Das Neue Testament verwendet auch noch viele andere Bilder, etwa Paradies, das kommt vom persischen Wort 'Pardes' und heißt Garten, also der Garten, in dem ich friedlich leben kann, im friedlichen Miteinander. Oder das himmlische Hochzeitsmahl, das heißt das große Fest."
Der Himmel sei "der bergende Raum, der uns Leben ermöglicht". Leben unter dem Himmel bedeute "leben im Schutz Gottes". Gemeint sei nicht der astronomische Himmel, "sondern gemeint ist die unmittelbare Begegnung mit dem lebendigen Gott".
"Das Leben ist begrenzt"
Jedes Mal, wenn Menschen dem Tod begegnen, stelle sich immer auch die Frage nach dem eigenen Tod, so Weber weiter. Hier sei es Kernaufgabe der christlichen Verkündigung, darauf Antworten zu geben." Allerdings, so der Theologe: "Diese Antworten müssen wir sehr vorsichtig geben. Jetzt in der Osterzeit sprechen wir von der Auferstehungs-Hoffnung. Diese in den Alltag zu übersetzen, heißt Hoffnung zu haben, aus der Hoffnung zu leben, ohne dass dieser Oster-Glaube eine Vertröstung wird, ohne dass man einen billigen Trost anbietet."
Lange Zeit hätten gläubige und auch nicht so gläubige Menschen versucht, mit dem Tod schon im Leben ein gewisses Auskommen zu finden. Das werde mit dem Begriff der "ars moriendi", der Kunst des Sterbens, angesprochen. Das bedeute, "sich einzuüben darin, dass mein Leben irgendwann zu Ende sein wird". Es gehe nicht darum, "dass man im Leben mit einem traurigen Gesicht herumläuft, weil es bald aus sein soll, sondern dass man sich aussöhnt mit der Gewissheit, dass das Leben begrenzt ist".
"Leben nach dem Tod. Die christliche Hoffnung verstehen" von Hubert Philipp Weber ist im Matthias-Grünewald-Verlag erschienen. Das Buch ist gebunden, hat 176 Seiten und kostet 19,60 Euro.
(Das Interview zum Nachlesen: www.meinekirchenzeitung.at/wien-noe-ost-der-sonntag. Zum Nachhören: Hubert Philipp Weber spricht über die sogenannten "letzten Dinge" in den Perspektiven am 26. April um 17.30 Uhr auf "Radio klassik Stephansdom")
Quelle: kathpress