Wien: Initiative fordert "geordnete Rettung" von Flüchtlingsfamilien
Die kirchlich mitgetragene Initiative "Courage - Mut zur Menschlichkeit" fordert von der österreichischen Bundesregierung eine "geordnete Rettung" von Asylsuchenden aus den griechischen Flüchtlingslagern. "Lassen sie uns endlich Menschen retten, und zwar jetzt", appellierte die Schauspielerin und Courage-Initiatorin, Katharina Stemberger, bei einer Online-Pressekonferenz am Freitag. Ziel sei es 100 Familien eine Zukunft in Österreich zu bieten und ein Chaos an den Grenzen - wie im Jahr 2015 - zu verhindern. Ein "Sechs-Punkte-Plan" solle die Sicherheit für Geflüchtete und geordnete Rahmenbedingungen für das Aufnahmeland Österreich schaffen. Es gebe dafür auch Unterstützung von Zivilgesellschaft und Bürgermeistern, es scheitere jedoch am politischen Willen, so Stemberger.
Angesichts der katastrophalen humanitären Lage auf Lesbos sei ein rasches Handeln gefordert, appellierten auch die anwesenden Courage-Unterstützer, wie die Diakonie-Direktorin Maria-Katharina Moser, die Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich, Maria Hasibeder, Franz Wolfmayr von der Solidarregion Weiz sowie Migrationsforscherin Judith Kohlenberger.
Kritik übte Stemberger auch an der vom Außenministerium versprochenen, aber nicht umgesetzten "Hilfe vor Ort": So seien nur 25 der insgesamt 400 von Österreich zur Verfügung gestellten Zelte in Kara Tepe angekommen, auch die mitgelieferten Heizgeräte könnten wegen des fehlenden Starkstroms in den Lagern nicht benützt werden. Man dürfe es daher nicht bei der vielfach unwirksamen Hilfe vor Ort belassen, mahnte die Courage-Initiatorin.
Das Konzept der "geordneten Rettung" sieht u.a. eine Vorbereitung und Koordinierung auf Lesbos, eine Auswahl an geeigneten Personen sowie die Suche nach Unterbringungen, sozialer Absicherung und Integrationsbegleitung in Österreich vor.
Die "geordnete Rettung" einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingsfamilien sei "zukunftsorientiert und kann Leid mindern", erläuterte Stemberger. Aktuell sollen sich auf allen griechischen Inseln rund 17.000 Schutzsuchende befinden, weitere 100.000 auf dem Festland (Stand Februar 2021). Allein auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos leben im Moria-Ersatzlager "Kara Tepe 2" 6.000 Menschen; es wurde als Ausweichlager nach dem verheerenden Brand in Moria im September des Vorjahres errichtet.
Moser: "Es gibt keine Alternative zur Evakuation"
Sechs Monate nach dem Brand in Moria müssten die evakuierten Menschen noch immer in improvisierten Unterkünften und ohne ausreichend Trinkwasser oder Kochstellen leben, erläuterte Diakonie-Direktorin Moser. Sie erinnerte auch an die versprochene Soforthilfe vonseiten des Außenministeriums für Moria-Betroffene; es würde jedoch noch immer an medizinischer Versorgung, Waschmöglichkeiten oder Schutz vor Wind und Regen fehlen. Von den rund 6.000 Menschen in "Kara Tepe 2" seien rund ein Drittel Kinder und Jugendliche. Unter ihnen steige auch der Anteil an Suizidversuchen, so Moser.
"Es gibt keine Alternative zur Evakuation", mahnte die Diakonie-Direktorin. Den politischen Verantwortlichen warf sie eine Politik der Abschreckung und bewusst provozierte menschenunwürdige Zustände in den griechischen Lagern vor. Von dem oft kolportierten Versagen der Politik halte sie jedoch nichts, "da zum Versagen ein gewisses Bemühen gehört, die österreichische Politik zeigt aber nur 'Schein-Bemühen'". Während bis zum 21. April 2021 im Rahmen des laufenden Relocation-Programms insgesamt 3.679 Geflüchtete aus Griechenland in Ländern der Europäischen Union aufgenommen wurden, sei Österreich bislang nicht bereit gewesen, Menschen aus den griechischen Lagern aufzunehmen, kritisierte Moser.
Pfarren bereit zur Hilfe
Schon jetzt gebe es genug Unterstützung für die Aufnahme einer überschaubaren Zahl von anerkannten Geflüchteten aus den Lagern an den EU-Außengrenzen, meinte KA-Oberösterreich-Präsidentin Hasibeder. Aktuell erheben KA und der Pastoralrat der Diözese Linz in welcher Form sich oberösterreichische Pfarrgemeinden an einer Aufnahme beteiligen möchten. "Von etwa einem Drittel der 450 oberösterreichischen Pfarrgemeinden liegt bereits eine Rückmeldung vor, davon sind 80 Prozent sehr positiv", so Hasibeder. Sie appellierte an die Bundesregierung und die politisch Verantwortlichen, die Mauer des kategorischen "Nein" zu durchbrechen. Es gebe in den Pfarrgemeinden, NGOs und der Zivilgesellschaft konkreten Willen und Wissen für Hilfe und Integration von Geflüchteten.
Hilfe vonseiten der Zivilgesellschaft für Asylsuchende auf Lesbos sei aktuell jedoch kaum möglich, schilderte Franz Wolfmayr von der kirchlich mitgetragenen "Solidarregion Weiz". "Wir wollen helfen dürfen", betonte Wolfmayr. Die Solidarregion hatte bereits Anfang des Jahres fünf Wohnungen für Familien mit Asylstatus bereitgestellt und auch deren Begleitung angekündigt. Das Angebot wurde vom Innenministerium jedoch abgelehnt.
Schwertner pocht auf Aufnahme von 100 Flüchtlingsfamilien
Unterstützung erfährt der Plan für eine "geordnete Rettung" von 100 Flüchtlingsfamilien auch durch den Geschäftsführer der Caritas Wien, Klaus Schwertner. In der Tageszeitung "Heute" (Freitag) kritisierte er die Bundesregierung für die ausbleibende Rettungsaktion von Menschen mit Asylstatuts von Lesbos, obwohl es in vielen österreichischen Gemeinden die Bereitschaft gebe, Flüchtlinge aufzunehmen". So habe die Caritas bereits 3.000 "sichere Plätze" ermittelt. Es scheitere jedoch an der Politik.
Quelle: kathpress