Wien: Politiker-Gottesdienst im Gedenken an Hildegard Burjan
Bereits zum zehnten Mal haben Politiker verschiedener Fraktionen einen Gedenkgottesdienst für Hildegard Burjan (1883-1933) gefeiert. Anlass dafür ist der kirchliche Gedenktag der Politikerin und Gründerin der Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis" am 12. Juni, die 2012 in Wien seliggesprochen wurde. "Das gemeinsame Feiern über Parteigrenzen hinweg ist gerade in Zeiten harter politischer Auseinandersetzungen im Alltag ein gutes Zeichen, für das ich sehr dankbar bin", erklärte der EU-Abgeordnete und Initiator Lukas Mandl (EVP) am Mittwoch gegenüber Kathpress. Die Messe wurde am Montag in der Johanneskapelle des Wiener Schottenstifts gefeiert.
Hildegard Burjan sei in ihrem Wirken klar in der Sache gewesen, habe aber bei parteipolitischen Streitereien nie mitgemacht. "Auch darin ist sie ein Vorbild. Sie war eine Persönlichkeit mit einem starken Willen und einem großen sozialen Gewissen", so Mandl. Unter den Mitfeiernden waren die Wiener Stadträtin Judith Pühringer (Grüne), der Wiener Landtagsabgeordnete und Gemeinderat Peko Baxant (SPÖ), der Nationalratsabgeordnete Philipp Schrangl (FPÖ) sowie Bundesrat Karl Arlamovsky (NEOS). Besonders gedachten die Mitfeiernden auch zweier verstorbener Parlamentsmitglieder, die in der Vergangenheit regelmäßig an der jährlichen Burjan-Messe teilgenommen hatten: Gabriela Moser (Grüne) und Andreas Karlsböck (FPÖ).
Sozialpionierin und Ordensgründerin
Hildegard Burjan (geb. Freund) wurde am 30. Jänner 1883 in sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren. Mit ihrem Gatten Alexander übersiedelte sie 1909 nach Wien und begann sich hier, intensiv für die Randgruppen der Gesellschaft zu engagieren. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie zur katholischen Kirche und ließ sich taufen. 1912 gründete Burjan den "Verband der christlichen Heimarbeiterinnen" und 1918 den Verein "Soziale Hilfe".
Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das Parlament ein. Als verheirate Frau und Mutter gründete sie im selben Jahr die geistliche Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern. Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen "Gewissen". Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und verschloss vor Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution nie die Augen.
Als im Jahr 1920 Neuwahlen bevorstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden. Sie wurde als weltweit erste demokratisch gewählte Politikerin seliggesprochen - am 29. Jänner 2012 im Wiener Stephansdom.
Quelle: kathpress