"Rache an Hitler" - Erika Freeman im Wiener Hotel Imperial
1927 in Wien geboren, musste Erika Freeman mit zwölf Jahren alleine vor den Nationalsozialisten in die USA flüchten. In New York wurde sie zu einer bekannten Psychoanalytikerin. Marlon Brando, Marilyn Monroe und Woody Allen sollen zu ihren Klienten gezählt haben. Als die Corona-Pandemie ausbrach, war die 94-Jährige gerade in ihrer Geburtsstadt Wien und blieb bzw. musste für mehrere Monate bleiben. Und zwar im Hotel Imperial. Im Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig", der im Imperial aufgenommen wurde, erzählt sie über ihr altes und neues Leben in Wien und zeigt sich besorgt darüber, dass mit der Corona-Krise auch wieder antisemitische Ressentiments zugenommen hätten. Antisemitismus sei eine Art "Krebs der Seele", so Freeman.
Der Aufenthalt im Wiener Nobelhotel Imperial hat für Erika Freeman eine besondere Bedeutung: Für sie handelt es sich dabei um eine Art "Rache an Hitler", der das Imperial als seine "Wiener Residenz" bezeichnet hatte.
Freemans Kindheit änderte sich mit dem Anschluss 1938 radikal. Die Nationalsozialisten zwangen ihre Familie zum Umzug in eine Sammelwohnung für Juden in der Wiener Engerthstraße, sie wurde aus ihrem ursprünglichen Gymnasium geworfen, konnte aber als Vorzugsschülerin im Gymnasium am Augarten, dem einzigen, das noch für jüdische Kinder geöffnet war, weiter die Schule besuchen.
Erika Freemans Vater war Sozialdemokrat. Er flüchtete 1938 nach Prag und war Außenminister im Schattenkabinett der Sozialdemokraten. Die Nazis deportierten ihn später von Prag in das KZ Theresienstadt. Ihre Mutter Rachel Grau war Zionistin und die erste weibliche Hebräischlehrerin Europas. Rachel Graus Leben gilt als Vorlage für das Buch, auf dem Barbara Streisands Film "Yentl" aus dem Jahr 1983 beruht.
Ihre Mutter sorgte dafür, dass Erika mit zwölf Jahren in die USA zu Verwandten ausreisen konnte. Grau wurde nach Polen deportiert, konnte aber flüchten und kehrte nach Wien zurück. Sie starb 1945 bei einem Bombenangriff in der Wiener Innenstadt. Lange Zeit glaubte Freeman, dass ihr Vater in Theresienstadt ums Leben gekommen sei. Dass sie ihn 1946 an Jom Kippur in New York traf, bezeichnet sie als Wunder. Ihr Vater lebte - im Glauben, dass seine Tochter nicht mehr am Leben sei - in Schweden und erfuhr erst nach einem zufälligen Treffen mit Freemans Onkel in New York von seinem Irrtum.
"Immer sind wir Juden schuldig"
Erika Freeman studierte in New York und spezialisierte sich auf die Psychoanalyse. Seit einigen Jahren verbringt Freeman immer wieder Zeit in ihrer Geburtsstadt Wien. Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen bzw. die kursierenden Verschwörungstheorien, zunehmender Antisemistimus und Schoah-Relativierungen würden sie beunruhigen, so Freeman: "Ich habe das Gefühl, irgendwas regt sich, dass da nicht sein sollte. Leider geht die Welt so: Wenn auf der Welt irgendetwas Schlechtes passiert, sind wir Juden immer schuldig."
Freeman berichtet im Podcast auch von einer längeren Begegnung mit dem früheren Wiener Erzbischof Kardinal Franz König: "Herrlicher Mann. Wir reden und auf einmal sagt er: 'Ich kriege in einer Stunde mehr von dieser Frau, als von einem Berater in einem ganzen Jahr.'" Da sei sie übermütig geworden und habe gesagt: "Eminenz, wenn wir Juden versprechen, nie wieder einen Jesus Christus auf die Welt zu bringen, könnt ihr uns dann endlich den ersten verzeihen?" Der Kardinal habe ihr mit einem Lachen in den Augen geantwortet: "Eine gefährliche Frau!"
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, ist selig", ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts, auf Spotify und auf YouTube (https://www.youtube.com/channel/UCwJ-QjJFPX4EGRuHBHsIJJQ/featured) abrufbar.
Quelle: kathpress