
Theologe Lintner: Umgang mit Bär und Wolf ist Öko-"Testfall"
Zu einer sachlichen Diskussion über den Umgang mit Bär und Wolf in freier Wildbahn hat der Moraltheologe Martin M. Lintner aufgerufen. Die Beziehung zu Natur, Umwelt und auch Tieren müsse angesichts der Öko-Krise überdacht werden; den Konflikt um die Wiederansiedlung großer Raubtiere sieht der Ethiker als "Testfall": Nämlich dafür, "ob wir den Herausforderungen des Klimawandels mit all seinen Folgen auch in unseren Breitengraden gewachsen sein werden", schrieb Lintner in der Südtiroler Kirchenzeitung "Katholisches Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe). Er sprach sich für das Bemühen um verantwortungsvolle Koexistenz aus. Klimaschutz, Schutz der Biodiversität und Ökologisierung der Landwirtschaft seien "unterschiedliche Facetten ein und derselben Problematik".
Wölfe und Bären hätten im Alpenraum über viele Jahrhunderte nebeneinander gelebt, ehe sie Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet worden seien, wie Lintner erklärte. Die Gründe dafür reichten von der Vorstellung einer "beherrschbaren Natur" und einer darüber herrschenden Position des Menschen über die Darstellungen des Wolfes als "Symbol des Bösen" in den Märchen der Brüder Grimm bis hin zur Ausbreitung des Jagdwesens und zur Entwicklung immer präziserer Jagdwaffen. Auch die Veränderungen in der Landwirtschaft und die Erschließung fast aller Regionen hätten dazu beigetragen. Anders als in den meisten anderen Weltregionen habe sich die heimische Landbevölkerung daran gewöhnt, nicht mehr von Wildtieren bedroht zu werden.
Aktuell gebe es in der Debatte zu Bär und Wolf zwei Extrempositionen, so der Theologe: Zum einen jene Tierschützer, die sich jeglichen Abschusses von Großraubwilds verwehrten, sowie zum anderen Vertreter aus Berglandwirtschaft und Tourismus, die wolffreie Regionen verlangten. Diese Situation verunsichere die Bauern, die noch keine Lösungen für die Nutztierrisse hätten. Sinnvoll wäre es laut dem Moraltheologen, den Tierschutz umfassend im Sinne des Vermeidens von Leid und Schmerz eines jeden Tieres in den Blick zu nehmen. Dabei könne man Beutegreifern keine moralische Verantwortung zuschreiben; aus ethischer Sicht sei das Reißen eines Tieres nicht dasselbe wie das Tierleid, das der Mensch in der Tierhaltung und Fleischindustrie ethisch zu verantworten habe.
"Leidverhinderung inkludiert, alle Möglichkeiten von Herdenschutz konsequent und langfristig umzusetzen, trotz Rückschläge und auch wenn sie keinen absoluten Schutz vor Rissen bieten", so die Empfehlung Lintners. Zugute kämen einem solchen Vorgehen das ständig zunehmende Wissen wie auch die finanziellen Ressourcen für den Artenschutz seitens der EU.
Quelle: kathpress