Theologe: Zusammenleben von Tier und Mensch nicht unproblematisch
Elefanten in Indonesien und Indien, die immer weniger Lebensraum haben und auf der Nahrungssuche in besiedelten Gebieten Menschen angreifen, aber auch tödliche Zwischenfälle mit Nutztieren in Europa und die Diskussionen um Wölfe zeigen, dass die Tier-Mensch-Beziehung kein reiner Kuschelkurs ist. Aktuell sei das Zusammenleben von Tier und Mensch "nicht unproblematisch", so das Fazit des Südtiroler Tierethikers Martin M. Lintner. Der Moraltheologe hinterfragte am Montag beim Online-Sommergespräch des Katholischen Bildungswerks Tirol zum Thema "Der Mensch und das liebe Vieh" zudem das zwiespältige Mensch-Tier-Verhältnis: So würden Tiere im Leben vieler Menschen zwar einen wichtigen Stellenwert einnehmen und "gehätschelt", andere jedoch geschlachtet.
In Bezug auf die biblische Schöpfungsgeschichte, meinte der Professor für Moraltheologie an der Philosophisch Theologischen Hochschule Brixen: "Wir können uns in Bezug auf die Welt und in Bezug auf die Tiere zu Recht fragen, haben wir unseren christlichen Auftrag zur Unterwerfung falsch verstanden." Die Frage sei nicht nur die Nutzung selber, sondern auch das Wie und die Masse. Es brauche bessere Lösungen, die eine Koexistenz von Tier und Mensch ermöglichen. Auch, wenn das Zusammenleben nie vollkommen problemlos sein werde, meinte Lintner.
Wachsende Tötungsindustrie
Ein weiteres Feld neben dem Zusammenleben mit Elefanten, Bären und Wildtieren insgesamt, in dem Lintner von notwendiger Veränderung sprach, ist der Fleischkonsum. Dort liegt Österreich derzeit auf Platz drei in der EU, weltweit sogar auf Platz 15. Die Zahl der geschlachteten Tiere in Österreich sei zwar insgesamt leicht rückläufig, aber immer noch sehr hoch. Alleine im Jahr 2020 sind es laut einer Erhebung der Statistik Austria immer noch mehr als fünf Millionen geschlachtete Schweine und mehr als 500.000 Rinder gewesen. Die Zahl der Geflügelschlachtungen hingegen wächst seit Jahren kontinuierlich, bis zuletzt knapp 88 Millionen Stück im Jahr 2020. "Das ist nur möglich, indem wir entsprechende Haltungssysteme haben und indem wir eine entsprechende Tötungsindustrie entwickelt haben."
Gemeinsame Geschichte
Höhlenmalereien, die etwa 25.000 Jahre alt sind, zeugen von früheren Tier-Mensch-Beziehungen. Forscher gehen heute davon aus, dass das Zähmen von Wölfen wesentlich zur Entwicklung des Menschen, vor allem im Bereich der Jagd, beigetragen hat. Bis heute sei es Brauch, dem gejagten Tier einer Stärkung auf den Weg ins Jenseits mitzugeben und zu versuchen, ihm noch etwas Gutes zu tun, informierte der Theologe. Totempfähle seien Ausdruck jener Menschen, die sich im Laufe der Geschichte den Schutzmächten der Tiere anvertraut haben.
Das Töten von Tieren sei seit jeher mit sakrale Riten verbunden gewesen. Ziel sei die Versöhnung mit dem Tier, oder das Besänftigen einer Gottheit gewesen, erzählte Lintner. In der griechischen Antike habe man Tiere als vernunftlose Wesen angesehen. Das habe die christliche Tradition geprägt. Die Fragen, ob Tiere denken, sprechen, leiden können und wie sich das auf den Umgang mit ihnen auswirkt, haben den Diskurs in der Philosophie unter anderem von Kant, Descartes und Bentham geprägt und die Basis für den heutigen Tierschutz gelegt.
Gehätschelt und geschlachtet
Heute nehmen Tiere im Leben vieler Menschen einen wichtigen Stellenwert ein. Der Umgang mit ihnen sei aber zutiefst ambivalent. Manche Tiere werden geliebt und gehätschelt, andere hingegen unter tierquälerischen Bedingungen gehalten und geschlachtet. Immer mehr Menschen seien für das Tierleid sensibel, mit dem Massentierhaltung vielfach verbunden ist.
Quelle: kathpress