Caritas-Vize Edlinger-Ploder: Brauchen dritten Arbeitsmarkt
Die Corona-Krise hat verdeutlicht, dass künftig viel Augenmerk auf den zweiten und auch auf den dritten Arbeitsmarkt zu legen sein wird: Das hat Kristina Edlinger-Ploder, neue ehrenamtliche Vizepräsidentin der Caritas Österreich, am Montag im Interview der "Kleinen Zeitung" unterstrichen. Der zweite Arbeitsmarkt sei notwendig, um wenig Qualifizierte an den ersten heranzuführen, oder Umschulungen zu fördern, "wo wir gerade im Pflegebereich gute Erfahrungen machen". Aber es braucht laut der früher der steirischen Landesregierung angehörenden Ex-ÖVP-Politikerin auch einen dritten Arbeitsmarkt als dauerhaften Platz für Menschen mit psychischen Erkrankungen. "Dort geht es um Menschen, die möglicherweise nur ein paar Stunden pro Woche arbeiten können, aber daraus ihren Selbstwert ziehen."
Wie auch andere Caritas-Vertreter davor forderte Edlinger-Ploder gezieltes Gegensteuern angesichts des Problems der durch Corona deutlich verstärkten Einsamkeit gerade bei älteren Mitgliedern der Gesellschaft. "Hier müssen wir als Gesellschaft dringend etwas tun: Je länger jemand abgeschieden ist, desto schwerer tut er sich, da wieder rauszukommen."
Um der Altersarmut von Frauen zu begegnen, schlug Edlinger-Ploder eine grundlegende sozialpolitische Reform vor: "Wichtig wäre ein automatisches Pensionssplitting: Für die Zeit, in der die Frau bei den Kindern ist, wird ihr automatisch die Hälfte des Pensionsanspruchs angerechnet." Momentan müsse das betreffende Paar eine solche Maßnahme aktiv beantragen. Von einem "Müttergehalt" hält die seit Anfang Juli als erste Vizepräsidentin der Caritas Österreich tätige Grazerin und Alleinerzieherin hingegen nichts, wie sie sagte: "Wenn der Staat eine Frau fürs Muttersein bezahlt, müsste er theoretisch ja auch kontrollieren, wie gut sie das macht."
Befragt nach der Integration von Migrantenfamilien und vor allem der Kinder meinte Edlinger-Ploder: "Die eigentlichen Herausforderungen liegen hier in den kulturellen Unterschieden und dem hohen Einfluss von Religion." Darum versuche die Caritas, nicht nur mit den Kindern zu arbeiten - etwa in den österreichweiten Lerncafés -, sondern auch mit den Eltern und der Community.
Beim Streitthema "assistierter Suizid" pochte die Vizepräsidentin auf den Kurs der katholischen Kirche. Die anstehende Gesetzesänderung sei so auszugestalten, dass Beihilfe zum Suizid "zu keinem Geschäft oder einem Ein-/Aus-Schalter wird". Die Hospiz-Bewegung könne wesentlich dazu beitragen, dass es Menschen gelingt, die Aussicht auf ihren eigenen Tod zu akzeptieren.
Caritas schneller als Politik
Den Eindruck, dass der Staat immer mehr Aufgaben an die Caritas auslagert, bestätigte Edlinger-Ploder: "Das stimmt. Vermutlich auch, weil es der Caritas oft schneller als der öffentlichen Hand gelingt, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren." Gegenüber dem Staat sehe sich die Caritas als Anwältin für Menschen, die ihre Stimme nicht selbst erheben können. "Darum empfinden uns die Politik, aber auch bestimmte gesellschaftliche Gruppen als Stressmacherin", merkte die Vizepräsidentin an und erinnerte an Erfahrungen während der Flüchtlingswelle vor etwa fünf Jahren. In der Coronazeit wiederum habe die Caritas viele positive Rückmeldungen für ihr Agieren im Dienst von Bedürftigen bekommen. "Wir sind Teil der gesellschaftspolitischen Debatte - das müssen wir aushalten", so die Ex-Politikerin.
Ihre Aufgabe als ehrenamtliche Vizepräsidentin liegt laut Edlinger-Ploder vor allem im Bereich der internen Organisation: Jede Diözese habe eine eigene Caritas mit eigenen Strukturen. Es sei wichtig, "dieses Know-how weiterzugeben, um das Rad nicht in jeder Diözese neu erfinden zu müssen. Darüber hinaus erarbeiten wir gerade eine Rahmenstrategie: Was machen wir und was bewusst nicht?" Im Zentrum des Caritas-Wertekanons stehe jedenfalls immer: "Hinschauen, wo Not ist".
Eine Motivation für die Übernahme ihrer neuen Funktion ist nach den Worten Edlinger-Ploders auch das Frauenpolitische. "Gemeinsam mit den Caritas-Direktorinnen kann ich jetzt auch zeigen, dass es in der katholischen Kirche Orte gibt, wo Frauen Führungsaufgaben übernehmen." Die Grazerin bildet gemeinsam mit den beiden Caritas-Direktoren Walter Schmolly (Vorarlberg) und Johannes Dines (Salzburg) das Caritas-Präsident Michael Landau als "Vizes" unterstützende Gremium.
Quelle: kathpress