Hilfswerke sehen sich durch Kindeswohlkommission bestätigt
Wenn eine Entscheidung im Rahmen des Asyl- und Fremdenrechts Kinder betrifft, sollen deren Auswirkungen auf die Rechte des Kindes geprüft werden: Durch diese Feststellung im Bericht der unabhängigen Kommission für den Schutz der Kinderrechte und des Kindeswohls im Asyl- und Fremdenrecht sieht sich die evangelische Diakonie in ihren langjährigen Forderungen bestätigt. Die von Irmgard Griss geleitete Kommission "mahnt überfällige Änderungen bei Asylverfahren ein", stellte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser in ihrer Aussendung am Dienstag fest. Es müsse klar sein, dass Kinderrechte Vorrang haben und Kinder "eigenständige Träger von Rechten" sind.
Laut der Kommission muss bei der Kindeswohlprüfung berücksichtigt werden, in welcher Situation sich das Kind befindet und wie gut es integriert ist. Es gehe also nicht nur darum, ob die Familie zusammenbleibt, folgerte Moser. "Kinder sind keine Anhängsel von Eltern. Sie dürfen nicht mit abgeschoben werden, weil ihren Eltern - aus welchen Gründen auch immer - kein Schutz in Österreich gewährt wird." Nach den Worten Moser kann es - "pointiert gesagt" - nicht sein, "dass Kinder für ihre Eltern haften. Sie haben eigene Rechte."
Die Diakonie bekräftigte die im Kommissionsbericht festgestellte Notwendigkeit, Rechtsvorschriften zu überprüfen und anzupassen. Bestehende Lücken im Asyl- und Fremdenrecht müssen kindesrechtskonform geschlossen werden, "schließlich sind die Kinderrechte in Verfassungsrang", wie die Diakonie-Direktorin hinwies.
In der Praxis bedeute das: Rückkehrentscheidungen dürften nach vielen Jahren des Aufenthalts nicht unhinterfragt durchgesetzt werden, wenn sie Kinder betreffen - stattdessen müsse bei gelungener Integration und starker Verwurzelung genau untersucht werden, inwieweit eine Abschiebung eine Verletzung der Rechte des Kindes bedeuten würde. Moser verwies auf Kinder, die hierzulande Kindergarten und Schule besuchen, Freundschaften geschlossen haben, Deutsch sprechen und das Land, aus dem ihre Eltern flohen, nur aus Erzählungen kennen. "Diese Kinder sind hier bei uns in Österreich verwurzelt." Ihr Recht auf Schutz und ein Leben in Würde müsse an erster Stelle stehen, das Asylverfahren der Eltern müsse hier in den Hintergrund treten, forderte Moser.
Ein Problem sind laut der Direktorin die oft langjährige Verfahrensdauer von Asylanträgen und die hohe Fehlerquote bei Erstentscheidungen: "Kinder können nichts dafür, wenn ein Asylverfahren nach Jahren nicht entschieden ist."
Im Kindeswohlkommissions-Bericht werde weiters aufgezeigt, dass die Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Unterbringung und Betreuung von Familien mit Kindern dringend kindgerechter werden muss. Kinder, die z.B. traumatisiert sind, bräuchten ausreichende Therapieangebote, Kinder mit Behinderungen inklusive Unterbringung und Betreuung. Jugendliche sollten eine Lehre absolvieren oder andere Bildungsabschlüsse erwerben können. "All das sind wichtige, langjährige Forderungen der Diakonie. Es ist höchste Zeit, Kinderrechte im Asylverfahren zu verankern", so Moser abschließend.
Caritas: Bericht zeigt dringenden Handlungsbedarf
Die Caritas ortet nach dem Bericht der Kindeswohlkommission einen "dringenden Handlungsbedarf in vielen Bereichen des Asyl- und Bleiberechts". Das hat die Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr, am Dienstag in einer Aussendung betont. Die Caritas habe die Einrichtung der Kommission unter Irmgard Griss, die dem Kindeswohl bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht jenen Stellenwert gibt, der ihm laut Verfassung zusteht, mehrfach begrüßt. "Der Kommission ist für die fundierte Analyse und ihre klaren Empfehlungen sehr zu danken. Diese unterstreichen nicht nur die Wichtigkeit und Dringlichkeit der zu tätigen Schritte, sondern sind ein klarer Handlungsauftrag für unsere Bundesregierung."
Insgesamt decke sich der Bericht mit den Erfahrungen der Caritas, dass internationale, europarechtliche und verfassungsrechtliche Verpflichtungen im Vollzug nur unzureichend und österreichweit vor allem uneinheitlich umgesetzt werden. Die Empfehlung, klare Richtlinien für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und das Bundesverwaltungsgericht zu erstellen, nach welchen Kriterien das Kindeswohl im Asylverfahren konkret geprüft werden muss, sollte rasch umgesetzt werden, betonte Parr. Dies sei auch notwendig, um Einheitlichkeit in der Entscheidungspraxis zu gewährleisten.
Zudem begrüßte die Caritas die Forderung zur Einrichtung einer Institution, die über ein unabhängiges Monitoring sicherstellt, dass das Kindeswohl in den diversen Bereichen der Vollziehung auch wirklich gewährleistet und berücksichtigt wird und die darauf aufbauend Empfehlungen aussprechen kann. Ebenso wichtig sei die Empfehlung der Kindeswohlkommission, unbegleiteten Minderjährigen unmittelbar nach ihrer Ankunft eine Übernahme der Obsorge durch die Kinder- und Jugendhilfe sicherzustellen.
Weiters unterstrich Parr die Wichtigkeit, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Kinder selbstständige Träger von Menschenrechten sind: "Als Caritas beobachten wir, dass die Situation des Kindes, das sich mit seiner Familie in Österreich aufhält, in der Entscheidungsfindung bezüglich seines Bleiberechts oft vernachlässigt wird. Das darf nicht sein. Die Würde der Kinder sowie deren Rechte müssen vorrangig Berücksichtigung finden. Und insofern muss auch die Integration der Kinder stärker in die Interessenabwägung einfließen und im Zweifelsfall Priorität haben."
Die Caritas mahnte eine rasche Umsetzung der von der Kommission ausgesprochenen Empfehlungen ein. "Ich bin überzeugt, das Wohl von Kindern und ihre Rechte müssen überall auf der Welt Vorrang haben. Und wenn es gesetzliche Änderungen braucht um das Kindeswohl zu garantieren, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese auch in die Wege zu leiten", so Parr abschließend.
Die Kindeswohl-Kommission wurde im Februar vom Justizministerium eingesetzt. Anlass dafür waren umstrittene Abschiebungen zweier Schülerinnen, eines Schülers und ihrer Familien nach Georgien bzw. Armenien im Jänner.
Quelle: kathpress