Caritas-Familienberaterin: Nach Corona "Erste Hilfe für Seele" nötig
Nach der Corona-Pandemie brauchen viele eine "Erste Hilfe für die Seele", die bis heute nicht selbstverständlich ist. Davon zeigt sich Sabine Scharbert, Leiterin der Caritas-Familienberatung und Psychotherapie in der Diözese St. Pölten, im Interview mit der aktuellen Ausgabe der "Kirche bunt" überzeugt. So seien ein zeitversetztes Auftreten psychischer Probleme und steigende Belastung in den Familien zu beobachten. Vor allem Psychotherapie für Kinder und Jugendliche werde vermehrt gebraucht, die unter dem Eingesperrt-Sein "besonders gelitten" hätten.
Es sei wichtig, sich jetzt etwas Gutes zu tun. Denn die "Schockstarre" und die Umstellung auf digitale Beratung seien für einen Rückgang der Beratungszahlen zu Beginn der Pandemie verantwortlich gewesen. Mit der Öffnung der Beratungsstellen seien die Zahlen deutlich gestiegen. Seit Jahresende verzeichne die Caritas nochmals eine starke Zunahme.
Man könne jetzt auf schwierige Zeiten in der Pandemie zurückschauen, sich bei sich selbst bedanken und sich selbst gleichsam auf die Schulter klopfen. Wer das mit den Kindern gemeinsam feiern will, die ebenfalls viel geschafft haben, könne das etwa mit einem Picknick oder einem Ausflug tun. Auch ein Hobby, ein Getränk, ein Buch, oder ein Dankbarkeits-Tagebuch können Freude bereiten.
Konfliktpotential gestiegen
Mitten in der Krise sei die Belastung oft nicht direkt spürbar. Manches Problem trete erst zutage, wenn die Entspannung kommt, ein Stück weit loslassen möglich wird. Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche seien durch die Beratungsgespräche offen gelegt worden, etwa Konflikte in der Familie, Angst vor der Zukunft oder vor einem Jobverlust und Einsamkeit. Überforderung sei zur Sprache gekommen und Frust, "weil man nicht aus konnte, es manchmal zu Hause keine Rückzugsmöglichkeit gab". Damit sei das Konfliktpotential gestiegen. Darüber hinaus wies Scharbert auf einen Anstieg der psychischen Erkrankungen wie Depression, Ängste und Essstörungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen hin.
Psychische Erkrankungen zuzugeben, falle immer noch schwer, weshalb Betroffene oft nicht zu einer Ersten Hilfe für die Seele kommen. Viele Betroffene würden denken, sie seien zu schwach, sie hätten selbst etwas falsch gemacht, dass es ihnen jetzt so schlecht geht. Es gebe noch immer die Ansicht: Wenn du dich zusammenreißt, dann geht es schon. Das Verständnis, dass es sich etwa bei Ängsten und Depression ebenso um Krankheiten handle, sei noch nicht bei allen angekommen. Viele Menschen hätten nicht gelernt, auf ihre eigenen Bedürfnisse, auf ihre Seele zu achten.´
Gesellschaftlich sei anerkannt, dass ein guter Mensch sei, wer für andere da ist. Doch man müsse zuerst bei sich selbst anfangen. Nein-Sagen sei eine "gesunde Verhaltensweise, weil man nur so viel geben kann, wie man zu geben hat". Selbst aktiv zu werden, sei nicht immer leicht, aber einfach möglich. Hilfreich sei Bewegung, vor allem in der Natur, etwa ein langsamer Spaziergang.
(Info: www.caritas-stpoelten.at/familienberatung)
Quelle: kathpress