Wirtschaftspublizist: "Kirche soll prophetisch sein"
Die Kirche kann und soll prophetisch "eine Wirtschaftsordnung nach den christlichen Zielen Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Frieden einfordern": Diese Forderung hat der ehemalige Chefredakteur des "Publik-Forum" Wolfgang Kessler im Interview mit dem "Vorarlberger Kirchenblatt" (15. Juli) gestellt. Auch Pfarren, Schulen oder Krankenhäuser könnten glaubwürdig aufzeigen, dass ein gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften und Leben möglich sei. Der Wirtschaftspublizist erklärt im Rahmen der Tagung "Bedingungsloses Grundeinkommen - Traum oder Träumerei?" am 6. August im Bildungshaus Batschuns die Idee, die Widerstände und die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Modells speziell für Laien.
Das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens sei trotz langer Debatten kein "alter Hut", sondern ob der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich in den Industrieländern, der Digitalisierung und Prekarisierung von Arbeitsplätzen dringend notwendig. "Zudem wachsen die Bedürfnisse vieler Menschen, mal mehr Erwerbsarbeit zu leisten, mal weniger, um zum Beispiel Kinder zu erziehen."
Der "bürokratische Sozialstaat" sei mit dem Wunsch nach Flexibilität, Sicherheit und kreativer Entfaltung jedoch überfordert, kritisierte Kessler. Eine Lösung des scheinbaren Dilemmas könne das bedingungslose Grundeinkommen liefern.
Neben den Kirchen und der Politik könnten sich aber auch Einzelne für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit engagieren, etwa in Parteien, Initiativen und auf der Straße. Praktisch betrachtet, gehe es aber auch um den persönlichen Konsum und den Umgang mit Ersparnissen, die ebenfalls zu einer gerechteren und umweltverträglicheren Welt beitragen können.
Bitcoin und Maschinen
Die Kryptowährung Bitcoin schätzte der Publizist als Spekulationsobjekt ein, das "wenige Reiche noch reicher" gemacht habe. So sollen 4 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von Bitcoins 96 Prozent des Bitcoin-Vermögens besitzen. Weiterer Kritikpunkt ist die energieintensive Herstellung der neuen Währung, die laut Kessler 2021 etwa so viel Strom wie Österreich und Neuseeland zusammen verbraucht haben soll.
Eine andere zukunftsträchtig Idee bewertete Kessler hingegen als positiv, nämlich dass sich künftig der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung nicht mehr an den Löhnen, sondern an der gesamten Wertschöpfung eines Betriebes orientiert. "Dann fließt neben der Wertschöpfung durch die Arbeitnehmer auch die der Maschinen ein. Und die wird in Zukunft durch die Digitalisierung steigen."
Zur viel kolportierten wirtschaftlichen Chance nach der Corona-Krise meinte Kessler, dass man nun nicht einfach zur Normalität vor der Krise zurückzukehren und weiter auf möglichst viel Wachstum setzen dürfe. Im Gegenteil, es heiße nun "Anreize zu schaffen für ein neues Wohlstandsmodell, das mit weniger Klimabelastung und Ressourcenverbrauch auskommt." Nachsatz: "Das wäre für alle besser."
Der kostenlose Seminartag "Das bedingungslose Grundeinkommen. Traum oder Träumerei. Seminartag" mit Wolfgang Kessler wird vom Werk der Frohbotschaft Batschuns organisiert. Eine Anmeldung ist bis 28. Juli unter info@frohbotinnen.at möglich. (Anmeldung und Infos: https://frohbotinnen.at)
Quelle: kathpress