Minoritenkirche geht an Piusbrüder
Erzdiözese Wien: In Transaktion nicht eingebunden
Minoritenkirche geht an Piusbrüder
Erzdiözese Wien: In Transaktion nicht eingebunden
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. ist die neue Besitzerin der Minoritenkirche in der Wiener Innenstadt und das ohne Zutun der Erzdiözese Wien. Das hat deren Sprecher, Michael Prüller, am Samstag im Interview mit Kathpress erklärt und darauf verwiesen, dass die Minoritenkirche bisher schon im Eigentum eines privaten Vereins gewesen sei. "Dass dieser Verein - die 'Italienischen Kongregation Maria Schnee' - die Kirche heuer vor dem Sommer an den Verein der Freunde der Piusbruderschaft weitergeschenkt hat, haben wir aus den Medien erfahren. Die Erzdiözese Wien war in diese Transaktion nicht eingebunden und wurde darüber auch nicht vorab informiert", sagte Prüller.
Kaiser Josef II. hatte 1786 die Minoritenkirche der Italienischen Kongregation (Congregazione Italiana) geschenkt, damit die katholische Gemeinde der Italiener in Wien ein spirituelles Zuhause hat, und der Kongregation den Auftrag erteilt, dafür Sorge zu tragen. "Nach der nunmehr erfolgten Übergabe der Minoritenkirche an die mit der katholischen Kirche im Konflikt stehende Piusbruderschaft kann dieser Stiftungszweck wohl nicht mehr erfüllt werden", führte der Sprecher der Erzdiözese weiter aus.
In Wien leben derzeit rund 13.500 Menschen, die in Italien geboren wurden - fast doppelt so viele wie zur Zeit Kaiser Josefs II. "Ihre Seelsorge ist ungefährdet: Die Erzdiözese hat die reguläre Seelsorge der sehr lebendigen italienischen katholischen Gemeinde schon vor einigen Monaten in die Pfarrkirche in der Alservorstadt verlegt und garantiert damit eine ruhige und gedeihliche Weiterführung ihrer Tätigkeit", hielt der Sprecher von Kardinal Schönborn fest und sagte: "Über das weitere Geschehen in der Minoritenkirche hat die Erzdiözese keinen Einfluss und keine Aufsicht, da die Piusbruderschaft den regulären Bischof nicht als Vorgesetzten anerkennt."
Die Piusbruderschaft schildert auf ihrer Website, wie es zur Übernahme der Kirche im Zentrum Wiens gekommen ist. Demnach habe man im November 2020 von der Präfektin der Congregazione Italiana das überraschende Angebot bekommen, die Kirche zu übernehmen. Bei der Generalversammlung der italienischen Kongregation am 20. Mai wurde schließlich die Schenkung an die Piusbruderschaft beschlossen und bereits am 25. Mai notariell unterzeichnet. Seit Ende Juni steht die Piusbruderschaft als Eigentümer der Kirche im Grundbuch.
Noch nicht überwundene Spaltung
Gegründet wurde die traditionalistische "Priesterbruderschaft St. Pius X." am 1. November 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre - damals noch mit kirchlicher Genehmigung. Schon bald wurde die Gemeinschaft zum Sammelbecken für alle, die die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ablehnten, bei dem Lefebvre Wortführer der überstimmten Minderheit war.
Der Konflikt mit Rom eskalierte, als der inzwischen von Papst Paul VI. suspendierte Lefebvre eigenmächtig Priesterweihen vornahm. Schließlich kam es am 30. Juni 1988 zum Bruch mit der Katholischen Kirche: Lefebvre weihte - gegen ein Veto von Papst Johannes Paul II. - vier Männer zu Bischöfen und zog damit ebenso die Tatstrafe der Exkommunikation auf sich wie auch die vier neuen Bischöfe. Die "Lefebvrianer" wurden nun weithin als Schismatiker angesehen, also als eine Gruppierung, die mit der Katholischen Kirche gebrochen hat. Die Piusbruderschaft selbst betrachtete die Exkommunikation als unwirksam und sich selbst als Teil der katholischen Kirche.
Kirchenrechtlich blieb der Status ihrer Bischöfe und Priester unklar. Das galt auch für die Gläubigen, die von ihnen die Sakramente empfingen. Die Bischofsweihen, die Lefebvre spendete, waren verboten, aber gültig. Das gilt auch für die Priesterweihen durch die Bischöfe, die er geweiht hatte. Und so waren auch die von ihnen gespendeten Sakramente gültig. Es entstand eine in der Nachfolge der Apostel stehende Gruppierung von Bischöfen und Priestern, die dem Papst den Gehorsam zumindest teilweise verweigerte und das bis heute.
Mit der durch Papst Benedikt XVI. 2009 erfolgten Aufhebung der Exkommunikation der vier von Lefebvre geweihten Bischöfe begann ein Prozess der Annäherung. Papst Franziskus, der die Theologie der Lefebvrianer schärfer ablehnt als seine Vorgänger, hat sich barmherzig gegenüber ihnen gezeigt. So hat er etwa die Gültigkeit der Beichte und der Eheschließungen bei Priestern der Piusbruderschaft ausdrücklich anerkannt. Und so befindet sich die Piusbruderschaft derzeit zwar nicht mehr im radikalen Schisma mit der Katholischen Kirche, aber sie gehört auch nicht ganz dazu.
Quelle: Kathpress