Kratky beklagt fehlende Wachsamkeit im Web und im realen Leben
In Sozialen Medien wie auch in der Gesellschaft wird der Umgangston bei Streitthemen "immer gemeiner, immer unflätiger, unhöflicher und unmenschlicher": Das hat Ö3-Moderator Robert Kratky am Freitag bei einer Gedenkveranstaltung der Katholischen Jugend für die Opfer des KZ-Außenlager Ternberg (Bezirk Steyr-Land) angemahnt. Er glaube nicht, dass aus der NS-Zeit ausreichend Lehren für heute gezogen würden, um der dunklen Vergangenheit tatsächlich abzuschwören und auf eine "neue, für alle gerechte und freie Welt" hinzuwirken, sagte Kratky. Mehr Wachsamkeit und Aufmerksamkeit seien unbedingt nötig.
Ort der Veranstaltung war der Keller der Pfarrbaracke Ternberg, wo Jugendliche im Jahr 2008 im Rahmen der Aktion "72 Stunden ohne Kompromiss" einen Gedenkraum für die Opfer des im gleichen Ort einst errichteten KZ-Außenlagers installiert hatten. Die Katholische Jugend strebe mit dem seither jährlich durchgeführten Treffen danach, "das Wissen und ein Gespür dafür weiterzugeben, wozu wir Menschen fähig sind", erklärte deren Vorsitzender für Oberösterreich, Christian Breitwieser. Die Gedenkarbeit solle jene Werte vermitteln, "die eine Wiederholung der Gräueltaten der NS-Zeit in allen möglichen Erscheinungsformen unmöglich machen".
Bedenkliche Tendenzen gebe es auch heute, warnte auch der Generalvikar der Diözese Linz, Severin Lederhilger. Ursprünglich friedliche Demonstrationszüge würden zunehmend "manipulierbar, eskalationsbereit und gewalttätig", was erst recht auf aggressive, maskierte Aktionsgruppen sowie auf anonyme Hashtag-Communities in Sozialen Medien zutreffe. Die Gefahr bestehe, dass sie "ihr Macht- und Gewaltpotential völlig entgrenzt gegen 'die Anderen' wenden - egal wie man diese definiert", so Lederhilger. Bleibe die Darstellung von Vielfalt und Fremdheit als Bedrohung, Konkurrenz und Feindbild unhinterfragt, führe dies schnell "zur Rechtfertigung jeglichen Machtmissbrauchs, zur Missachtung von Menschenwürde und Freiheitsrechten jenseits der eigenen Zugehörigkeit".
Werte wie Freiheit, Leben, Individualität, Humanität, Toleranz und berechtigte Vielfalt seien "keine Selbstverständlichkeiten, sondern ein je neu zu erringendes Gut", so der Generalvikar weiter. In Erinnerung an die Geschichte müssten alle Formen totalitärer Vereinnahmungen von Anfang an abgewehrt und problematische Tendenzen frühzeitig erkannt, benannt und aufgedeckt werden. Dies verwirkliche die Katholische Jugend mit dem Erinnern an die Namen der Geschundenen. Die Jugendlichen "entziehen die Opfer dieses Lagers der Vernichtung durch das Vergessen, ermöglichen durch das nachdenkliche Zusammenkommen an diesem Ort das Wachhalten von Geschichte und Geschichten, von individuellen Schicksalen und vielfältigen Biografien - und legen so den Weg für eine gute, richtungsweisende Zukunft", lobte Lederhilger.
Als Vertreterin des Landes Oberösterreich rief Landtagsabgeordnete Regina Aspalter (VP) in einem Grußwort dazu auf, "aus der Erinnerung lebendige Zukunft werden zu lassen". Die Geschichte verblasse allzu schnell, wenn sie nicht selbst erlebt worden sei. Da auch kaum noch Zeitzeugen der NS-Gräuel zur Verfügung stünden, würden Formen der Vermittlung der Geschehnisse für künftige Generationen immer wichtiger. An der Verpflichtung "nie wieder!" gelte es festzuhalten. "Niemals wieder Menschen vernichten, niemals wieder Vielfalt vernichten", so Aspalter.
In Ternberg war von Mai 1942 bis September 1944 außerhalb des Ortes beim alten Pfarrhof ein KZ-Außenlager eingerichtet. Die Insassen - rund 400 ausschließlich republikanische Spanier aus dem KZ-Außenlager Vöcklabruck, von denen nur 14 namentlich bekannt sind - waren zum Bau des Kraftwerks Ternberg und zum Straßenbau eingesetzt und wurden anschließend ins KZ Mauthausen überstellt. Von dem KZ-Außenlager ist nur noch die Küchenbaracke vollständig erhalten, wo sich eine Gedenktafel und ein Mahnmal zur Erinnerung an die NS-Todesmärsche durch das Ennstal befindet. Der 2008 von der Katholischen Jugend eingerichtete Gedenkort befindet sich im Kellerbereich der Baracke.
Quelle: kathpress