Dom Museum Wien beleuchtet Thema "arm & reich" in Kunstgeschichte
Das Dom Museum Wien bleibt politisch: Die neue Themenausstellung zum Thema "arm & reich" widmet sich der "immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich" und soll laut Direktorin Johanna Schwanberg "den Finger auf Wunden legen, Blicke verschieben und durch Kunstprojekte von Armut Betroffenen ein Gesicht und eine Stimme verleihen". Gerade unter dem Eindruck der Corona-Pandemie sei dieser Blickwinkel besonders wichtig, sagte die Kunsthistorikerin am Donnerstag bei einer Presseführung durch die ab Freitag geöffnete und bis 28. August 2022 zugängliche Ausstellung.
Die bereits fünfte Sonderschau seit der umbaubedingten Neueröffnung des Dom Museums Wien 2017 reiht sich damit nahtlos in den Anspruch bisheriger Ausstellungen wie zuletzt "Family Matters" (2019) und "Fragile Schöpfung" (2020) ein: Das kirchliche Haus am Stephansplatz wolle "sich als Ort aktueller Diskurse positionieren, wo auf Themen gesetzt wird, die sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte ziehen, gerade heute aber besonders verhandelnswert sind", wie Schwanberg betonte.
Und wie bisher setzt die Kuratorin auf reizvolle Kontrastierungen von alter Kunst - vielfach aus kirchlichen Beständen bzw. in Form hochkarätiger Leihgaben - mit Zeitgenössischem, von explizit religiösen Sujets mit Profanem. Deutlich wird dies bereits im ersten Ausstellungsraum, in dem unter dem spätmittelalterlichen Gemälde eines seinen Mantel teilenden heiligen Martin eine in Lumpen gekleidete Bettlerfigur (Albrecht Wild, "Sitzender", 2008) hockt; daneben eine elektronische Laufschrift mit Armutsbotschaften in verschiedenen Sprachen.
Harte inhaltliche Kontraste auch im nächsten Raum: An einer Wand Bildnisse von teilweise obszönem Reichtum etwa einer den Golfschläger schwingenden Lady in ihrem prunkvollen Shanghai Apartment, gegenüber bittere Not. Zu sehen ist u.a. Ferdinand Georg Waldmüllers Ölgemälde von mit Essen versorgten jungen Bautagelöhnern - eine Mitte des 19. Jahrhunderts ungewöhnlich sozialkritische Darstellung - sowie der berühmte "frierende Brezelbub" Peter Fendis aus dem Wien Museum.
Favela-Lebenswelt in Wien
Armutsbetroffene sollten in der Schau nicht nur Objekte, sondern auch als selbst kreative Personen mit Würde und Kompetenzen gezeigt werden, wie Johanna Schwanberg betonte. Ein Beispiel dafür ist eine Kooperation mit dem brasilianischen Kollektiv "Projeto Morrinho": Deren Vertreter wurden vom Dom Museum beauftragt, die Veranschaulichung ihrer Favela-Lebenswelt im Kleinformat mit bemalten Ziegelsteinen und Lego auch in Wien umzusetzen: In der bei einem zehntägigen Besuch entstandene Installation verschmilzt brasilianisches Armenviertel mit Wiener Stadtszenerie - ein reizvolles Bild, das während der Sonderausstellung auch die Front des Museums am Stephansplatz schmückt.
Das Thema "arm & reich" aus christlicher Perspektive veranschaulichen Arbeiten von Größen wie Albrecht Dürer ("Die Vertreibung der Händler") oder Rembrandt ("Das Hundertguldenblatt"); teuerste Leihgabe ist laut Schwanberg Il Vecchiettas Bild "Der heilige Franziskus vermählt sich mit der Armut" (um 1460). Der populäre Gründer des Bettelordens ist auch in Form eines Reliquiars mit Erde vom Grab des "Poverello" aus Assisi vertreten, das als ungefilterte Gegenüberstellung zu kirchlichem Reichtum neben einem Goldkelch und einem Reliquienstrauß aus dem Stephansdom dient.
Weitere Werke stammen u.a. von Pieter Bruegel d. Ä., Josef Beuys, Georg Grosz, Käthe Kollwitz sowie von Gegenwartskünstlern wie Lisl Ponger, Klaus Staeck und Otto-Mauer-Preisträgerin Isa Rosenberger.
Museumsdirektorin Schwanberg teilte im Gespräch mit Kathpress mit, die Corona-Pandemie habe alle Kulturveranstalter und -träger "gebeutelt". Als vergleichsweise kleines Haus habe das Dom Museum aber flexible Strukturen und sei nicht darauf ausgerichtet, "nur Touristen durchzuschleusen". Somit sei das Museum "ganz gut" durch die Krise mit vielen Schließtagen und wenig Besuch gekommen, sagte Schwanberg. Eine Hilfe dabei sei sicher auch gewesen, dass das Museum 2020 mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet wurde. Das habe einen "Kick" verliehen.
Die Themenausstellung "arm & reich" im Dom Museum Wien (Stephansplatz 6, 1010 Wien) ist von 5. November bis 28. August 2022 geöffnet. Dazu erscheint ein mehr als 400 Seiten starker Katalog, außerdem plant das Museum ein umfangreiches Kunstvermittlungsprogramm. (Info: https://dommuseum.at)
Quelle: kathpress