Kirchlicher Experte: Glasgow-Beschluss lässt Opfer im Stich
Ein zwiespältiges Resümee über die Ergebnisse der am Samstagabend in Glasgow zu Ende gegangenen 26. UN-Klimakonferenz (COP26) zieht der kirchliche Klimaexperte Martin Krenn. "Der Klimagipfel in Glasgow brachte Fortschritte in einer Reihe von bisher aufgeschobenen Teilbereichen des Pariser Abkommens. Die heißen Eisen der finanziellen Unterstützung brachten jedoch großteils herbe Enttäuschungen", betonte Krenn in einer Kathpress vorliegenden Kurzanalyse. Krenn hatte für die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) an den Beratungen in Schottland teilgenommen.
Insbesondere das für Entwicklungsländer zentrale Thema der Errichtung eines Finanzmechanismus für Maßnahmen bei Schäden und Verlusten in Folge von Klimakatastrophen wurde auf den letzten Metern von der EU und der USA "vollkommen blockiert", kritisierte Krenn. "Die Opfer von Klimakatastrophen - jene, die vor von Unwettern zerstörten Existenzen stehen - wurden im Stich gelassen" und die größten Verschmutzer hätten ihre "ökologische Schuld" von sich gewiesen.
"Das ist eine Schandtat, welche unzählige Menschenleben betreffen wird", so das harte Urteil des Experten. Die von Papst Franziskus angesprochene wachsende "ökologische Schuld" zwischen den Staaten sei damit weiterhin nicht beseitigt, auch wenn man sich bei den Beratungen glücklicherweise auf eine Verdoppelung der finanziellen Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen in armen Ländern einigen konnte.
Dabei gehe es um die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern zur Bewältigung der großen Transformation in Richtung treibhausgasarme Entwicklung und den Schutz ihrer Bevölkerung vor den Folgen der Klimakrise. "Allgemein bekannt war schon vor der Konferenz, dass die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar an jährlicher Unterstützung von den Industriestaaten nicht geliefert wurden", so Krenn. Obwohl letztere dies "mit großem Bedauern" eingestanden hätten, konnte zumindest eine klare Aufforderung zur Verdoppelung der Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen bis 2025 errungen werden. Das Geld müsse jetzt für die Betroffenen "rasch und einfach" zugänglich gemacht werden, forderte Krenn.
Auch die Erarbeitung des zukünftigen finanziellen Unterstützungsziels wurde wie geplant auf den Weg gebracht. Aber darauf, wie ein neues Klimafinanzierungsziel aussehen solle, wollten sich die Industriestaaten nicht festlegen lassen. "Mit Blick auf unser eigenes Land muss leider festgehalten werden, dass Österreich nicht den winzigsten finanziellen Beitrag nach Glasgow mitgebracht hat". Das Mindeste, was die Bundesregierung im Anschluss an Glasgow machen sollte, ist eine beschleunigte Verdoppelung der Anpassungsfinanzierung schon bis 2023, forderte Krenn.
Ziel des Endes fossiler Energien verfehlt
Die Konferenz wollte auch ein klares Zeichen für das Ende von fossiler Energie, der Hauptursache der Erderhitzung, setzen, dieses sei aber "in der letzten Stunde der Verhandlungen zerstört" worden. "Zurück bleibt das Signal, dass öffentliche Gelder für fossile Energie keinen Platz in der Zukunft haben. Das wissenschaftlich notwendige komplette Aus für Kohle, Öl und Gas wurde in Glasgow eindeutig verfehlt", so Krenn.
Mit der Furcht einflößenden Perspektive eines Anstiegs der Temperatur um 2,7 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts sei man in die Konferenz gegangen. Im Angesicht dessen, hätten viele Staats- und Regierungschefs zum Start des Events in ihren Reden "langfristige Reduktionszusagen mit vielen schönen Worten" geliefert. Daher sei die konkrete Aufforderung an alle Staaten zur Verbesserung ihrer nationalen Ziele bis zum Klimagipfel im nächsten Jahr ein "äußerst notwendiger Erfolg von Glasgow" gewesen. Ob das 1,5-Grad-Ziel noch am Leben ist, hänge aber davon ab, ob alle Staaten ihre Ziele tatsächlich nachschärfen und schon heute ohne Zögern radikale Emissionsreduktionen national umsetzten, so Krenn.
Der Klimagipfel hatte am 31. Oktober begonnen und endete am Samstagabend mit der Verabschiedung des Glasgower Klimapaktes, der erstmals ein Ende aller fossilen Brennstoffe in Aussicht stellt. So sollen alle Staaten die Nutzung von Kohle zumindest reduzieren sowie überflüssige Subventionen für fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl abgebaut werden. Mit dem angenommenen Schlusstext erhält der 2015 beschlossene Pariser Klimavertrag ein abgeschlossenes Regelwerk. Enthalten ist auch das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel und zu einer schnelleren Überarbeitung nationaler Klimaschutzziele.
Für Kritik und Enttäuschung auch unter zahlreichen Staatenvertretern in Glasgow sorgte, dass am Samstagabend in letzter Minute die Formulierung zu einer Abkehr von der Kohle auf Betreiben Chinas und Indiens deutlich abgeschwächt wurde. Es sei ein "zerbrechlicher Sieg", sagte auch COP26-Präsident Alok Sharma. Der Erfolg werde nicht daran gemessen, ob alle 200 Staaten das Abschlussdokument unterschrieben hätten, sondern ob sie die "Verpflichtungen erfüllen und liefern".
Quelle: kathpress