
Familienpolitik: Geld alleine ist zu wenig
"Meilensteine und Versäumnisse" der Familienpolitik in Österreich hat der Präsident des Katholischen Familienverbandes (KFÖ), Alfred Trendl, in der "Wiener Zeitung" (10. März) erläutert. Lob äußerte der hauptberuflich als Steuerberater tätige Experte für die in jüngsten Regierungsperioden gesetzten Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung, nachdem das heimische Steuerrecht bis vor drei Jahren keinen großen Unterschied gemacht habe, wie viele Personen von einem Einkommen leben mussten. Aber: "Geld alleine ist zu wenig", befand Trendl. Familien bräuchten "auch Zeit und Infrastruktur", etwa hinsichtlich Erziehungszeiten oder Kinderbetreuung, sowie eine "ideelle Unterstützung der ganzen Gesellschaft".
Vorbehalte äußerte der KFÖ-Präsident gegenüber dem zuletzt viel diskutierten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Vorstöße von Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Gewerkschaft, so einen Anspruch ab dem zweiten Geburtstag des Kindes zu verankern, erachtet Trendl als "in erster Linie plakativ" sowie als "Beispiel dafür, wie Eltern unter Druck geraten könnten".
Gefahr einer "Nivellierung nach unten"
Gegen einen einklagbaren Rechtsanspruch sei an sich nichts einzuwenden. Alles, was die Wahlfreiheit für Familien erhöht - und dazu gehörten selbstverständlich auch gute Kinderbetreuungseinrichtungen - sei begrüßenswert. Jedoch würden in diesem Fall Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können, warnte Trendl. Denn um dem Anspruch gerecht zu werden, dass das Angebot der Kinderbetreuung flächendeckend, qualitätsvoll und bedarfsgerecht sein soll, fehle es derzeit an Voraussetzungen: Nicht umsonst gingen Kindergartenpädagoginnen regelmäßig auf die Straße, um auf den Personalnotstand aufmerksam zu machen und für bessere Arbeitsbedingungen und kleinere Kindergruppen zu kämpfen. Woher die für den Rechtsanspruch erforderliche Personalaufstockung im Bereich der Elementarpädagogik kommen soll, "darauf geben die Sozialpartner keine Antwort". Der Familienverband befürchtet den verstärkten Einsatz von nicht ausreichend qualifizierten Betreuerinnen.
Es bestehe auch die Gefahr einer "totalen Nivellierung nach unten". Denn die Elementarbildung in Österreich sei je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Dies betreffe etwa die Gruppengrößen, den Betreuungsschlüssel, die Qualifikationsvoraussetzungen des Kindergartenpersonals, Weiterbildung und räumliche Anforderungen.
Konfliktbereich Teilzeitarbeit
Auch beim Thema Teilzeitarbeit legt sich der Katholische Familienverband quer zu vermeintlich progressiven Forderungen. Trendl verwies auf eine repräsentative Studie des Familienverbands dazu, die im Sommer 2021 bei Integral in Auftrag gegeben wurde: Demnach sei Teilzeit aufgrund von Betreuungspflichten "eine bewusste Entscheidung". Eltern wollten mehr Zeit für die Kinder haben beziehungsweise diese selber betreuen. Der KFÖ fühle sich auch durch den aktuellen "Österreichischen Familienbericht" bestätigt, demzufolge der Wunsch von Eltern, mehr Zeit für Kinder zu haben, im vergangenen Jahrzehnt stark zunahm. Teilzeitarbeit stelle für Eltern mit kleinen Kindern ein zentrales Vereinbarkeitsinstrument im Sinne einer Work-Life-Balance dar, hielt Trendl fest.
Zugleich seien Konflikte bei der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie sowohl bei Männern als auch bei Frauen deutlich größer geworden, bei alleinerziehenden Müttern nach wie vor am höchsten. Der Familienverband sieht es als Aufgabe der Politik, dem Erziehungsauftrag der Eltern und ihrem Wunsch, Teilzeit zu arbeiten, nachzukommen und entsprechende Weichen dafür zu stellen. "Stattdessen erfolgt leider genau das Gegenteil", kritisierte Trendl: Statt Eltern mit Kindern "in Ruhe zu lassen" - also deren Entscheidung, in welchem Ausmaß sie selber erziehen wollen, zu akzeptieren -, werde ständig Druck in Richtung Stundenaufstockung und Vollzeitbeschäftigung ausgeübt.
Österreich bei Geldleistungen top
Lob mit Einschränkungen äußerte der KFÖ-Präsident im Blick auf staatliche Geldleistungen, auch die steuerliche Entlastung der Familien habe sich 2018 durch die von ÖVP, FPÖ und Neos beschlossene Einführung des Familienbonus deutlich verbessert. Mit der kürzlich von ÖVP und Grünen verankerten Steuerreform erhöhe sich der Bonus ab 2023 auf bis zu 2.000 Euro pro Kind und Jahr. Hinzu komme ein Kindermehrbetrag, von dem Alleinverdienende und Alleinerziehende seit 2019 profitieren, ab 2023 noch einmal deutlich mehr.
Als "weiteren Meilenstein" würdigte Trendl auch die Errungenschaft, dass für Geburten ab dem 1. August 2019 Karenzzeiten von Eltern bei Gehaltsvorrückungen (Biennalsprüngen), Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall, Urlaubsansprüchen und Kündigungsfristen wie Arbeitszeiten bewertet werden. Dies verringere die Gehaltsschere zwischen Männer und Frauen und wirke der Altersarmut von Frauen entgegen.
"Längst überfällig" gerade angesichts der steigenden Inflation sei jedoch die Wertanpassung der Familienbeihilfe. Trendl erinnerte daran, dass diese im Gegensatz zu Gehältern, Pensionen, Parteiförderungen und Pflegegeld nicht regelmäßig valorisiert wird. Die letzte "Mini-Anpassung" um 1,9 Prozent sei vor vier Jahren erfolgt - bei einer Inflation von 5,8 Prozent im selben Zeitraum.
Zur ideellen Unterstützung der Familien könnten alle einen Beitrag leisten, appellierte Trendl abschließend: "Hand aufs Herz: Wann haben Sie zuletzt dem jungen Vater mit dem trotzenden Kindergartenkind freundlich zugelächelt, einer Mutter mit dem Kinderwagen in den Bus geholfen?" Auch kleine Signale könnten Österreich laut Trendl "ein Stück familienfreundlicher machen". (Info: www.familie.at)
Quelle: kathpress