Eine römische Dauerbaustelle namens Kurienreform
Im ersten Jahrtausend war die Führung der katholischen Kirche noch ein überwiegend römisches Gebilde. Die Päpste als Bischöfe von Rom stützten sich vor allem auf die Hilfe des stadtrömischen Klerus und der benachbarten Bischöfe. Doch mit der Herausbildung eines europaweiten Papst-Primats ab dem 11. Jahrhundert wurde die römische Kurie etabliert. In ihr wurden die geistlichen und weltlichen Behörden des Papstes zusammengefasst. Damit traten an die Stelle der römischen Synode die Versammlungen der Kardinäle, der wichtige Aufgaben übertragen wurden.
Sixtus V. (1585-1590) gestaltete dieses Beratungs- und Beschlussfassungsinstrument 1588 nach dem Vorbild anderer neuzeitlicher Behörden um und begründete die Kardinalskongregationen, die bis heute existieren. Eine weitere grundlegende Reform Pius X. (1903-1914) folgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Bis in die späten 1960er Jahre galt das "Heilige Offizium", die heutige Glaubenskongregation, als Zentralbehörde der Kurie. Mit dem "Aggiornamento" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sollte aber auch die Römische Kurie an die neuen Bedürfnisse angepasst werden. Höfische Zöpfe wurden nicht nur bei den Zeremonien und im päpstlichen Hofstaat abgeschnitten, sondern auch in der Administration.
Seit der Kurienreform unter Paul VI. (1963-1978) durch die Apostolische Konstitution "Regimini Ecclesiae" (15. August 1967) nimmt das vatikanische Staatssekretariat eine Vorrangstellung vor den übrigen Kurienbehörden ein. Im Büro des Kardinalstaatssekretärs laufen alle Fäden der römischen Zentralverwaltung zusammen.
Die bisherige Konsistorialkongregation hieß nun Kongregation für die Bischöfe, die Konzilskongregation wurde zur Kleruskongregation. Der für Ordensgemeinschaften zuständigen Religiosenkongregation wurden die neuen Säkularinstitute zugewiesen. Die Ritenkongregation bestand aus zwei Sektionen, eine für Liturgie und eine für Heiligsprechungen.
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Römische Kurie |
Die Römische Kurie (La Curia Romana) ist die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Dazu gehören das Staatssekretariat und die im Vatikan "Dikasterien" genannten Ministerien sowie Gerichtshöfe, Räte, Kommissionen und weitere Büros. Zuletzt waren an der Römischen Kurie rund 2.600 Angestellte beschäftigt, unter ihnen laut Portal "Vatican News" etwa 24 Prozent Frauen. Von der Kurie zu unterscheiden ist der Staat der Vatikanstadt. Kurie und Vatikanstaat haben beide den Papst als Oberen, aber separate Verwaltungen und Strukturen. Seit der Reform der Römischen Kurie von 1967 unter Papst Paul VI. (1963-1978) hatte das Staatssekretariat eine Vorrangstellung unter den Kurienbehörden. Für neue Aufgaben schuf er weitere Sekretariate und Räte, so für Ökumene, für den Dialog mit Nichtchristen und Nichtglaubenden, für Familie und Laien. 1988 vereinfachte Papst Johannes Paul II. (1978-2005) mit der Apostolischen Konstitution "Pastor Bonus" die Organisation. Seitdem gab es neben dem Staatssekretariat 9 Kongregationen für zentrale innerkirchliche Belange, 3 Gerichtshöfe und 13 Räte für den Dienst der Kirche in der Welt. Papst Franziskus nahm sich auf Wunsch der im Vorkonklave 2013 versammelten Kardinäle von Beginn seines Pontifikats an eine Kurienreform vor. So fasste er schon im Lauf der vergangenen Jahre mehrere Räte und Kommissionen in "Dikasterien" (altgriech. Gerichtshöfen) zusammen. Es entstanden etwa eine Behörde für "den Dienst an der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen", eine für "die Laien, die Familie und das Leben" sowie ein Dikasterium, das die Vatikan-Medien und die Kommunikation bündelt. Mit der neuen Kurienverfassung "Praedicate Evangelium", die zu Pfingsten 2022 in Kraft tritt, schafft der Papst ein aus der bisherigen Missionskongregation und dem Rat für Neuevangelisierung bestehendes neues "Dikasterium für Evangelisierung", also die Verkündigung und Verbreitung der christlichen Botschaft. Neu ist unter anderem ein "Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe" und ein "Dikasterium für Kultur und Erziehung". Alle weiterbestehenden Räte und Kongregationen werden zudem in Dikasterien umbenannt, von denen es künftig 16 gibt. An der Spitze jedes Dikasteriums steht bislang in der Regel jeweils ein Kardinal oder Erzbischof, denen Sekretäre und Untersekretäre zuarbeiten. Nach der neuen Kurienordnung können auch Laien, Männer und Frauen, in die Leitungspositionen berufen werden, was etwa beim Kommunikationsdikasterium bereits seit 2018 der Fall ist. Dem Papst ist die Leitung des "Dikasteriums für Evangelisierung" vorbehalten. |
Apostolische Konstitution |
Eine Apostolische Konstitution ist ein Gesetzeserlass des Papstes, mit dem konkrete Teile des Kirchenrechts geregelt werden. Sie betrifft häufig eine bestimmte Region oder einen bestimmten Personenkreis. Die Festlegungen einer Konstitution sind verbindlich, aber vom Papst veränderbar. Dennoch ist eine Konstitution eine der wichtigsten Formen päpstlicher Erlasse. In jüngerer Zeit gab es unter anderem die Konstitution "Universi Dominici Gregis" (1996) über Sedisvakanz und Papstwahl, "Ex Corde Ecclesiae" (1990) über katholische Universitäten, "Fidei Depositum" (1992) über den Katechismus der katholischen Kirche oder "Pascite Gregem Dei" zur jüngsten Strafrechtsreform (2021). Am Wochenende veröffentlichte Papst Franziskus mit der Konstitution "Praedicate evangelium" seine lang erwartete Kurienreform. Das Format der Apostolische Konstitutionen geht zurück auf eine gleichnamige, im 4. Jahrhundert entstandene Kirchenordnung, ein Gesamtwerk aus acht einheitlich redigierten Büchern über kirchliche Ämter, Gemeindeleben und Gottesdienst. Da diese Schriften Einblicke in das Leben der frühen Kirche bieten, hatten sie auch Einfluss auf die Liturgiereform im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). |
Die Liturgie-Sektion wurde später mit der Sakramentenkongregation verbunden zur Gottesdienstkongregation, die Heiligsprechungs-Sektion wurde zur selbstständigen Kongregation erhoben. Die neue Kurienordnung löste auch die Sektion für Auswärtige Angelegenheiten aus dem Staatssekretariat und machte sie zu einem selbstständigen "Außenministerium".
Für neue Aufgaben der Kirche schuf Paul VI. mit seinem umtriebigen Substituten und späteren Kardinal Giovanni Benelli (1921-1982) neue Behörden, Sekretariate und Räte; so für Ökumene, für den Dialog mit Nichtchristen und Nichtglaubende, für Familie und Laien.
Zugleich trieb Paul VI. die Internationalisierung im Kardinalskollegium und in den vatikanischen Spitzenämtern voran. Dazu trug auch bei, dass er die Ernennungen für die Leitungsämter für nur noch fünf Jahre aussprach - mit der Möglichkeit einer weiteren Amtszeit - und eine Altersgrenze von 75 Jahren einführte. Die Arbeit an der Kurie sollte ein Dienst sein und nicht der Beginn einer Karriere, die automatisch nur nach oben führt.
Johannes Paul II. (1978-2005) führte die Reform seines Vorgängers weiter. Seine Kurienreform "Pastor Bonus" von 1988 vereinheitlichte das Kurien-Organigramm. Seither gab es als zentrale Behörde das Staatssekretariat, dann 9 Kongregationen (für zentrale innerkirchliche Belange), 3 Gerichtshöfe und 13 Räte (für den Dienst der Kirche in der Welt).
Nach der "Vatileaks"-Affäre im Vorfeld des Amtsverzichts von Benedikt XVI. 2013 wurden Forderungen nach einer erneuten Kurienreform laut. Papst Franziskus griff sie nach seiner Wahl zügig auf. Durch die Schaffung des "K-9-Rates" aus Vertretern des Kardinalskollegiums aus allen Teilen des Weltkirche wollte er Ideen von außerhalb der vatikanischen "Blase" nutzen.
Papst Franziskus hatte bereits vor der lange erwarteten neuen Kurienverfassung mit der Schaffung der drei "Dikasterien" für den "Dienst an der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen", für "die Laien, die Familie und das Leben" sowie für die Kommunikation erste Schritte in Richtung einer Verschlankung unternommen. Zudem drängte er die früher weitgehend selbstständige Kommission "Ecclesia Dei" schrittweise zurück, die für jene traditionalistischen Gruppen in der Kirche Ansprechpartnerin war, die der alten römischen Liturgie verbunden sind. Ihre Kompetenzen liegen nun bei der Gottesdienst- und der Ordenskongregation.
Mit seiner neuen Kurienverfassung "Praedicate Evangelium" versucht Franziskus, die Kurie weiter zu modernisieren und sie von einer Leitungs- in eine Dienstleistungsbehörde umzuwandeln.
Quelle: Kathpress