
Caritas: Steigerung der Armut ist Handlungsauftrag an die Politik
Die Caritas warnt vor einem massiven Anstieg der Armut in Österreich. Der am Donnerstag für 2021 vermeldete Anstieg von 13,9 Prozent auf 14,7 Prozent armutsgefährdeter Menschen sei ein "Warnsignal" an die Politik und Handlungsauftrag zum Gegensteuern, betonte Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, in einer Aussendung. Dabei würden die jetzt veröffentlichten Zahlen das zweite Corona-Jahr und die aktuelle Teuerungswelle noch gar nicht berücksichtigen. Sozial- und Familienleistungen müssen nach Überzeugung der Caritas jetzt armutsfest ausgestaltet werden, "sonst drohen breite Bevölkerungsschichten in Armut abzurutschen".
Die Armutsstatistik 2021 belege, dass heute mehr Menschen in Österreich von Armut bedroht sein, als vor der Pandemie - und dies trotz zahlreicher Maßnahmen, die aufgrund der Krise zusätzlich umgesetzt wurden, wie Parr festhielt. In den Caritas-Beratungsstellen sei man aktuell mit Armutssituationen befasst, "wie wir sie seit Langem nicht mehr erlebt haben". Immer mehr Menschen müssten sich Monat für Monat entscheiden: "Bezahle ich die Miete, heize ich meine Wohnung oder fülle ich den Kühlschrank?" Über Einmalzahlungen und punktuelle Reparaturen etwa bei der Sozialhilfe NEU hinaus gelte es Armutsbekämpfung jetzt in den Fokus zu rücken.
Parr forderte eine Garantieerklärung der Bundesregierung, dass die Sanierung der Corona- und Ukraine-Krise nicht zulasten der Ärmsten erfolgt. Das bedeute: Sozialleistungen müssten jetzt an die aktuelle Rekordinflation und an die enormen Preissteigerungen angepasst werden. "Nur so können wir verhindern, dass immer mehr Menschen von Armut bedroht sind."
Alleinerziehende besonders betroffen
Besondere Sorgen bereiten der Caritas Alleinerziehende und deren Kinder. Rund 320.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind laut aktuellen Zahlen armutsgefährdet. Parr erinnerte daran, dass schon die Kinderkostenstudie von Ende 2021 eine "klaffende Lücke" zwischen realen Kinderkosten und Familienleistungen aufgezeigt habe, die diese Kosten eigentlich abdecken sollten. Alleinerziehenden fehlten monatlich bis zu 1.000 Euro für ihre Kinder, fast die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe sei armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. "Die Leidtragenden sind die Kinder", so Parr: "Hier muss der Staat endlich einspringen: Es braucht eine faire Ausgestaltung von Familienleistungen wie etwa dem Familienbonus." Notwendig sei eine regelmäßige Valorisierung, um den derzeit besonders großen Wertverlust auszugleichen.
Bereits vor der Teuerungswelle stellten die Wohnkosten für einen großen Teil der Österreicher eine schwere finanzielle Belastung dar, wies die Generalsekretärin weiters hin. Armutsgefährdete hätten laut Statistik Austria bereits bisher rund 40 Prozent ihres Einkommens allein für das Wohnen ausgeben müssen. Parr: "In den Caritas-Sozialberatungsstellen sehen wir, dass die Kostenexplosion beim Heizen und Mieten viele Menschen in existenzielle Nöte bringt." Immer öfter beobachte die kirchliche Hilfsorganisation, dass einkommensschwachen und armutsbetroffenen Personen in Österreich nach Abzug der Fixkosten kein Geld mehr für das tägliche Leben übrigbleibt und sie auf Lebensmittel- und Kleiderspenden angewiesen sind.
Sozialstaat weiter tragfähig halten
Trotz bestehender Lücken würden die neuen Daten einmal mehr die Stärke des Sozialstaats beweisen, so Parr: "Ohne Pensions- und Sozialleistungen hätten wir in Österreich eine Armutsgefährdung von 45 statt 14,7 Prozent" und rund 4 Millionen akut Armutsbedrohte statt 1,3 Millionen. Die im Zuge der Coronakrise bereits umgesetzten Einmalzahlungen aufgrund der Rekordinflation seien zu begrüßen, sie bieten aber keinen nachhaltigen Schutz vor Armut, so Parr: "Es ist jetzt dringend notwendig, die Familien- und Sozialleistungen an die Preissteigerungen anzupassen und armutsfest zu gestalten." Daneben müsse die Reform des Arbeitslosengeldes genutzt werden, um die Nettoersatzrate zu erhöhen, und ein bundesweiter Energiehilfsfonds etabliert werden, um rasch und unbürokratisch helfen zu können.
Und nicht zuletzt müsse die Regierung beim Thema Wohnen aktiv werden, forderte Parr. Eine Neugestaltung der monetären Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs müsse in der Sozialhilfe NEU verankert werden, genauso wie die Abschaffung der Anrechnung der Wohnbeihilfe bei Sozialhilfe-Empfängern, so die Generalsekretärin abschließend.
Quelle: kathpress