Sozialethiker zur Leerstandsabgabe: Privateigentum verpflichtet
Mit dem Hinweis auf die "Sozialpflichtigkeit von Eigentum" hat sich Markus Schlagnitweit, der Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) zur Debatte um eine Wohnraum-Leerstandsabgabe zu Wort gemeldet. Die Katholische Soziallehre bekenne sich seit ihren Anfängen mit der Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) von Papst Leo XIII. zwar zum Recht auf Privateigentum, dieses gelte aber stets nur unter Maßgabe des vorrangigen Grundprinzips des Gemeinwohls, also der universellen Bestimmung der Güter für alle Menschen. "Im Klartext: Wo durch Privateigentum Einzelner anderen Menschen das zu einem menschenwürdigen Leben Notwendige vorenthalten wird, verliert das Privateigentum zwar nicht sein Recht, sehr wohl aber seine Unantastbarkeit", hielt der Sozialethiker fest.
Genau daran entzünde sich die aktuelle Debatte: Der auch durch hohe Wohnraum-Leerstände verengte Wohnungsmarkt behindert laut Schlagnitweit für ärmere Bevölkerungsgruppen, insbesondere für junge Menschen und Familien, die leistbare Realisierung ihres Grundrechts auf Wohnen erheblich. In diesem Zusammenhang stellte der ksoe-Direktor die bisher noch kaum diskutierte Frage, wem die Mittel aus einer allfälligen Leerstandsabgabe zufließen sollen: Aus Sicht der Katholischen Soziallehre wären dies gemeinnützige bzw. soziale Wohnbauprojekte.
Aus der Gemeinwohlverpflichtung des Privateigentums ergebe sich "eine klare Absage an alle Positionen, die privatem Eigentum bzw. Vermögen absoluten Schutz sowie ein unumschränktes Recht auf Rendite einzuräumen versuchen", wies Schlagnitweit hin. Dieser Schutz müsse spätestens dort eine Grenze finden, "wo er übergeordneten sozialen, ökologischen und/oder kulturellen Interessen entgegensteht".
"De-facto-Tabuisierung von Privateigentum"
Zuletzt verwiesen Verfassungsrechtler zum Thema Wohnraum-Leerstandsabgabe darauf, dass es notwendig sei, zuvor entsprechende Änderungen in der Bundesverfassung vorzunehmen. Dazu Schlagnitweit: Es gehe in dieser Frage nicht nur um eine Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern; aus Sicht der Katholischen Soziallehre wäre auch "eine verfassungsrechtliche Abschwächung der De-facto-Tabuisierung von Privateigentum" zu begrüßen.
Die Verteidigung des Rechtes auf Privateigentum seit "Rerum novarum" müsse zeithistorisch als Gegenposition zur generellen Negation von Privateigentum durch den Marxismus verstanden werden, erklärte der Sozialethiker. Das Privateigentum sei nach kirchlichem Verständnis als notwendige Voraussetzung sittlichen - und das heiße: eigenverantwortlichen - Handelns unbedingt anzuerkennen. "Allerdings wurde in der kirchlichen Sozialtradition dieses Recht niemals absolut verstanden", betonte Schlagnitweit.
Der Theologe berief sich auch auf die gesamte biblische Tradition, in der der soziale Verpflichtungscharakter von Eigentum einen hohen Stellenwert habe. Besonders das Neue Testament rufe immer wieder zur Solidarität mit Armen und Benachteiligten auf und betone die "Rolle des Menschen als Sachwalter Gottes und Mitschöpfer guten Lebens".
Quelle: kathpress