Kirchliche Medienfachleute: Qualität im Journalismus sichern
Kirchliche Medienfachleute pochen auf Qualität im heimischen Journalismus und schlagen unterschiedliche Maßnahmen vor, anspruchsvolle Berichterstattung als tragende Säule der Demokratie durch eine zielgerichtete Medienpolitik zu fördern bzw. abzusichern: Gabriele Neuwirth, am Donnerstagabend wiedergewählte Vorsitzende des "Verbands katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs", wies gegenüber Kathpress darauf hin, dass Qualitätsjournalismus zeit- und damit auch personalaufwändig sei; die Medienförderung in Österreich sollte somit die Zahl der nach Kollektivvertrag angestellten Journalistinnen und Journalisten berücksichtigen. Auch Journalismusausbildung gelte es zu fördern, die in diesem Bereich tätigen Einrichtungen entsprechend zu kontrollieren.
Begrüßenswert fände es Neuwirth, wenn im Vergabegremium für die Presseförderung außer der Journalistengewerkschaft, dem Zeitungsherausgeberverband und dem Bundeskanzleramt auch Fachleute aus der Medienwissenschaft und eventuell auch erfahrene Publizisten und Publizistinnen vertreten wären. Ein wünschenswertes Förderkriterium sind laut der katholischen Publizistin ethische Standards, denen sich eine Redaktion verpflichtet - etwa durch ein Redaktionsstatut oder den Ehrenkodex des Österreichischen Presserates. Medien, die laut Verfahrens-Entscheidungen des Presserates gegen die "Grundsätze für die publizistische Arbeit" verstoßen, sollten weniger Förderung erhalten, regte die Publizistin an.
Außer der Vorsitzenden des Publizistenverbands kamen in einer Kathpress-Rundfrage auch der in Wien lehrende Medienethiker Alexander Filipovic zu Wort, der St. Pöltner Caritas-Generalsekretär Christoph Riedl als Kirchenvertreter im ORF-Publikumsrat, der KAÖ-Präsident und Kommunikationsexperte Ferdinand Kaineder, "Furche"-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl sowie Walter Achleitner vom Verein zur Förderung der Kirchenzeitungen.
Medienlandschaft ist "boulevardisiert"
Der davor in Deutschland - u.a. als Medienberater der Bischofskonferenz - wirkende Prof. Filipovic konstatiert nach rund einjähriger Lehrtätigkeit, Österreichs Medien bräuchten dringend eine Qualitätsoffensive. Die Medienlandschaft sei "boulevardisiert", entsprechende Anbieter würden "überproportional gefördert" und von öffentlichen Stellen auch mit enorm hohen Inseratenausgaben bedacht. Presseförderung sei europarechtlich kompliziert, es müsste sinnvolle Formen gefunden werden - jenseits eines bloßen "Gießkannenprinzips".
Eine sinnvolle Journalismusförderung würde nach Auffassung von Filipovic bei der Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden ansetzen - die in Österreich allerdings weiter institutionalisiert werden müsse - und auch Verlage dabei unterstützen. Ein Kriterium von öffentlichen Zuwendungen könne auch sein, wie viele in einem Medium redaktionell beschäftigt sind. Dies könne, müsse aber noch keine Qualität garantieren, räumte der Medienethiker ein. Dafür objektive Kriterien festzulegen sei schwierig, ein möglicher Zugang wäre umgekehrt fehlende Qualität, abzulesen an vom Presserat stattgegebenen Beschwerden gegen Mängel der Berichterstattung.
"Es fehlt an politischem Gestaltungswillen"
Christoph Riedl, seit Mai Mitglied des ORF-Publikumsrates, erklärte auf Kathpress-Anfrage, er vermisse in Österreich politischen Gestaltungswillen: Im gegenwärtigen "postfaktischen Zeitalter" mit Fake News und einem politischen Diskurs, der "mehr von Schein als von Sein geprägt" sei, wäre eine verantwortungsvolle Medienpolitik angezeigt. "Doch wir kommen in Österreich nicht über das Stadium der Diskussion hinaus - selbst jetzt, wo Österreich im Ranking der Pressefreiheit vom 17. auf den 31. Platz abgerutscht ist", wie Riedl bedauerte.
Unabhängiger Qualitätsjournalismus wäre laut dem früheren ORF-Religionsredakteur, der auch dem PR-Ethikrat angehört, ein wirksames Gegenkonzept zur Desinformation. Alle seien heutzutage in der Lage, Informationen zu veröffentlichen und damit - sofern laut und pointiert - beträchtliche Reichweiten zu erzielen. Standards der Recherche gebe es nicht, so Riedl. "Fragen nach Relevanz, Fakten, Quellen und Hintergründe sollten sich somit nicht nur Journalist*innen stellen müssen, sondern jede und jeder von uns, der in sozialen Medien, Blogs, Podcasts etc. Inhalte publiziert." Qualitätsjournalismus koste Geld, das primär über Inserate verteilt werde - auch von der öffentlichen Hand. Riedl forderte eine komplette Neuaufstellung der Medienförderung in Österreich - weg von Förderkriterien, die nur auf Auflage abzielen, "sondern vor allem auch auf Qualität, Investition in Personal und Nachwuchs sowie die Beachtung diverses ethischer Selbstverpflichtungen und Kodizes". Zudem müsse die Medienkompetenz der Menschen erhöht werden. "Am besten schon ab dem Schulalter", befand Riedl.
Dem ORF komme bei all diesen Bemühungen eine besondere Aufgabe zu. Die thematische Vielfalt dessen Berichterstattung leiste einen wichtigen Beitrag zum Qualitätsjournalismus. "Dass dem ORF ausgerechnet bei der Verbreitung dieser journalistischen Inhalte vom Gesetzgeber Steine in den Weg gelegt werden, ist nicht nachvollziehbar", spielte das neue Publikumsrat-Mitglied auf nach wie vor geltende Schranken für ORF-Inhalte im Internet und auf Social Media an.
"Steuergeld muss Richtung Qualität steuern"
"Steuergeld muss Richtung Qualität steuern." Mit diesen Worten nahm KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder den Staat bei der Förderung und Absicherung von ausgewogener, qualitätsvoller Information und Unterhaltung in die Pflicht. Kriterium für eine zu reformierende Medienförderung dürften nicht "Machtlogiken" oder die nackte Zahl der Konsumierenden sein. Zu berücksichtigen sind laut dem Kommunikationsexperten ebenso redaktionelle Strukturen bzw. Fragen wie: Wie viele Ressourcen werden für Recherche aufgewendet? Unter welchen Verhältnissen wird gearbeitet? Welche Bedeutung hat das Medium für eine Zielgruppe? Und: Richtet sich das Medium nach dem Ehrenkodex des Presserates?
Nach den Worten Kaineders müssen Medien wieder mehr ein Anliegen aller werden - von den Usern bis hin zum Staat, der geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen habe. Der kritische Blick sei "konstitutiv für die liberale Demokratie" und deren Weiterentwicklung. Der KAÖ-Präsident forderte umfassende Transparenz und Offenlegung aller Steuergeldflüsse Richtung Medien, bestehende Compliance-Bestimmungen gelte es konsequent zu vollziehen und kontrollieren.
Für eine Neuausrichtung der Medienförderung an der Qualität des Journalismus sprach sich Doris Helmberger-Fleckl, Chefredakteurin der Wochenzeitung "Die Furche", aus. Auch demokratiepolitische Überlegungen sprächen gegen hohe Subventionen "von massenhaft bedrucktem, zur freien Entnahme im Regen liegendem Papier". Für mehr Qualität bräuchte es jedoch eine deutliche Erhöhung der ausgeschütteten Fördergelder, so Helmberger-Fleckl: "Denkbar wäre etwa eine Ausrichtung an der Parteienförderung, die längst in andere Sphären angestiegen ist."
Als "sekundär" erachtet die Chefredakteurin die Frage, ob Medien auf analogem oder digitalem Weg verbreitet werden. Insofern sei eine Hinwendung hin zur "Digitalmedienförderung" überfällig. Es könne nicht sein, dass online-basierter Qualitätsjournalismus - sei es in etablierten Redaktionen, innovativen Onlinemedien oder Startups - leer ausgeht. Auch Helmberger-Fleckl plädierte für Medienförderungskriterien wie Mitarbeit beim Presserat sowie faktische Akzeptanz dessen Ethikkodex sowie regelmäßige Aus- und Weiterbildungen der redaktionell Beschäftigten.
Auch Online-Anbieter berücksichtigen
Die bisherige "Presseförderung" muss den rapiden Veränderungen in der Medienlandschaft angepasst werden und zu einer viel breiter aufgestellten "Medienförderung" werden. Auch qualitätsvolle Online-Anbieter verdienen laut Walter Achleitner von der "Kooperation Kirchenzeitungen - Verein zur Förderung der Kirchenpresse" Zuwendungen. Dass bis vor Kurzem ausschließlich die gedruckte und verkaufte Zeitung gefördert wurde, habe zurecht für Kritik gesorgt.
Verhandlungen zur Digitalmedienförderung ergaben, dass seit dem 9. Mai Ansuchen für Projekte aus den Bereichen "Digitale Transformation", "Digital-Journalismus" oder "Jugendschutz und Barrierefreiheit" über ein eigens gestaltetes Web-Portal gestellt werden können. Das war hoch an der Zeit, befand der Experte: "Warum sollten qualitätsvolle, aber ausschließlich online-basierte Medienformate leer ausgehen?" Nachrichten aus dem Internet seien nicht von vornherein schlecht, weil sie online zur Verfügung stehen, stellte Achleitner klar. Nahezu alle Medienmarken seien heute online verfügbar.
Quelle: kathpress