Graz: Biblikerin Fischer übergibt "Stab" der Frauenforschung
Irmtraud Fischer, international renommierte Pionierin der feministischen Theologie und langjährige Ordinaria für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, hat den "Stab" der Frauenforschung an Kolleginnen aus Theologie und Humanwissenschaften übergeben. Bei einer Festveranstaltung ihr zu Ehren am Donnerstagabend an der Uni Graz blickte Fischer vor Gender-Forscherinnen (in Graz gibt es ein fakultätsübergreifendes Masterstudium für Interdisziplinäre Geschlechterstudien) zurück. "Mein fast 40-jähriges Engagement in der feministischen Theologie war eine Gratwanderung", sprach Fischer ungeschminkt Hemmschuhe im Bereich Kirche und Theologie, aber auch Vorurteile im Milieu der Genderforschung an.
Die Bibelwissenschaftlerin erwähnte in ihrer Festrede, dass die Grazer Historikerin Heidrun Zettelbauer die Verantwortung für den Cluster Gender und das Doktoratsprogramm Gender aus ihren Händen übernimmt; das internationale Dissertations- und Habilitationsforum für theologische und religionswissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung werde die Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler weiterführen, die Leitung des Frauenforschungsschwerpunkts an der Theologischen Fakultät übernehmen die Kirchenrechtlerin Vizedekanin Sabine Konrad und die Alttestamentlerin Rita Perintfalvi.
Rückblick auf so manche "Steine im Weg"
Fischer blickte auch auf die Geschichte weiblicher Präsenz in der wissenschaftlichen Theologie Österreichs zurück: "Als ich Anfang der Achtziger Jahre als junge Assistentin zur feministischen Theologie kam, gab es in Österreich keine Vorbilder für junge Theologinnen." Sie habe sich an Elisabeth Schüssler Fiorenza orientiert, die als Neutestamentlerin in Havard (USA) eine feministische und zugleich historisch-kritische Methodik entwickelt habe. Erste katholische Theologieprofessorin in Österreich war Herlinde Pissarek-Hudelist, die als Rahnerschülerin ab 1984 eine Professur für Religionspädagogik in Innsbruck innehatte. Evangelischerseits habilitierte sich Susanne Heine bereits 1979 in praktischer Theologie und wurde danach ebenfalls Religionspädagogik-Professorin.
Fischer selbst war 1993 die erste habilitierte katholische Theologin in Österreich. Die während der Arbeit daran von einem Jesuiten getätigte Prognose, sie habe "ohnedies keine Chance auf einen Lehrstuhl", erwies sich als falsch, erzählte Fischer: Acht Jahre später wurde sie auf den Lehrstuhl für "Altes Testament und Theologische Frauenforschung" an die Universität Bonn berufen und bekam dafür "das Nihil Obstat des bekannt konservativen Kardinals Meißner aus Köln".
Schwieriges Umfeld
Ein zähes Ringen habe es um die erste Theologieprofessorin in Graz, die Küng-Schülerin Anne Jensen, gegeben; Fischer selbst wurde dort 2004 Ordinaria für Alttestamentliche Bibelwissenschaften. Feministisch arbeitende Theologinnen seien "immer unter kirchlichem Argwohn" gestanden, Fischer sprach von einem, "wenn nicht feindlichem, so doch ein wenig freundlichem, förderlichem Milieu, in dem ich gearbeitet habe". Ein "nicht sehr ermunterndes Ambiente" habe sie allerdings auch im Milieu der Genderforschung feststellen müssen: "Als Theologin wurde ich allzu oft mit der klerikalen Kirchenhierarchie identifiziert, als Geschlechterforscherin unter Generalverdacht gestellt, mit der misogynen und homophoben Männerkirche gemeinsame Sache zu machen."
Dessen ungeachtet sei die Katholisch-Theologische Fakultät Graz bis heute die einzige in ganz Österreich mit einem Schwerpunkt für Frauen- und Geschlechterforschung - "und das bereits seit 28 Jahren! Das verdient hervorgehoben zu werden", so Fischer. Ihre Ansprache schloss die Theologin mit den Worten: "Der neuen Generation wünsche ich weniger Steine im Weg, ein gesundes Selbstbewusstsein und unbeugsame Hartnäckigkeit im immer noch andauernden Kampf um die Gleichbehandlung aller Geschlechter!"
Quelle: kathpress