Wien: Schönborn empfängt ukrainischen Bischof Sus
Kardinal Christoph Schönborn hat am Freitag den Kiewer Weihbischof Stephan Sus empfangen. Sus ist in der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche für die Gläubigen in der Diaspora zuständig. Er informierte Kardinal Schönborn über die aktuelle Lage in der Ukraine und dankte zugleich für die große Solidarität der Kirche in Österreich mit den Kriegsopfern in der Ukraine wie auch mit den aus dem Land Geflüchteten. Schönborn seinerseits sagte dem ukrainischen Bischof auch weiterhin seine Unterstützung zu. Der Wiener Erzbischof hat u.a. über das von ihm geleitete Ostkirchenordinariat ein eigenes Spendenkonto für die Ukraine-Hilfe eingerichtet.
In Österreich gibt es etwa 70.000 ukrainische Flüchtlinge, in Deutschland 760.000, in Polen gar drei Millionen. Aber auch in die Republik Moldau hätten sich 500.000 Ukrainer geflüchtet, berichtete Sus am Rande der Begegnung im Gespräch mit Kathpress. Natürlich gehören bei Weitem nicht alle der Griechisch-katholischen Kirche an, die Zahl der ukrainischen katholischen Gläubigen hat sich aber in den vergangenen Monaten überall in den Aufnahmeländern vervielfacht. Nun bemühe sich die Kirche um eine effektivere Seelsorge und weitere Hilfe für die Menschen in Not, fern der Heimat.
Der Verteidigungskampf der Ukraine gegen den Aggressor Russland sei ein "Kampf gegen das Böse", so Sus. "Das ist kein Krieg zwischen Russland und der Ukraine, das ist ein Kampf zwischen zwei verschiedenen Zivilisationen bzw. zwei unterschiedlichen Weltbildern." Die Ukraine steht für Freiheit, Demokratie und die Würde des Menschen. Europa habe immer noch nicht verstanden, dass sich Russland in den vergangenen 30 Jahren rückwärts entwickelt habe, inhaltlich orientiert an der unsäglichen Sowjetzeit und zusammengefasst im Weltbild der "Russkij Mir" (Russischen Welt).
Sus: "In jenen Gebieten, die von den Russen erobert wurden, wurden vom ersten Tag an neue Schulbücher eingesetzt, in denen die Geschichte umgeschrieben wird. Es wurden Internierungslager eingerichtet, in denen die Menschen umerzogen werden sollen und unzählige Menschen werden auch nach Russland deportiert."
Die russischen Soldaten würden sich nicht mehr wie Menschen benehmen. Es werde gefoltert, vergewaltigt und gemordet. "Hass treibt Russland, treibt seine Soldaten an." Vielfach gebe es Befehle der Offiziere, die Zivilisten zu ermorden. "Warum werden Frauen vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt? Warum werden acht-, neun- zehnjährige Kinder vergewaltigt? Wie kann so etwas geschehen?", so der Bischof. Die Antwort liege im Versuch der absoluten Erniedrigung und Auslöschung der Menschen, nicht nur physisch. "Mit der Zerstörung der Frauen und Kinder wollen sie die Zukunft der Ukraine zerstören", so der Bischof: "Das ist das Gesicht des Bösen."
Russland würde absichtlich Wohngebiete bombardieren und Zivilisten töten. Wenn von getöteten Frauen und Kindern die Rede ist, dann sei das nur die Spitze des Eisbergs. "Wer denkt zum Beispiel an die vielen Kinder, die schwer verletzt sind, die ihre Arme oder Biene verloren haben, die ihr Augenlicht verloren haben?"
Wenn möglich, versuche die Kirche auch jenen Menschen zu helfen, die in von Russland besetzten Gebieten leben müssen. Geistlichen werde Geld überwiesen, damit sie ihre Gemeindemitglieder versorgen können. Weihbischof Sus berichtete auch von Besuchen in Dörfern, die zuletzt von der ukrainischen Armee zurückerobert wurden. "Eine Frau sagte wörtlich zu mir: 'Wir lebten 25 Tage unter der Besatzung des Bösen.'"
Dass die Ideologie der "Russischen Welt" letztlich nur Tod und Zerstörung bringt, habe inzwischen wohl auch die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats verstanden, so der Weihbischof. Vor Kurzem hatte sich eine Kirchenversammlung für von Moskau unabhängig erklärt. Doch Weihbischof Sus zeigte sich gegenüber Kathpress skeptisch, was von dieser Unabhängigkeitserklärung zu halten sei. Es reiche jedenfalls nicht, "dass ein paar Schilder ausgetauscht werden".
Besuch bei Bischof Scheuer
Am Donnerstag hatte der ukrainische Weihbischof auch dem Linzer Bischof Manfred Scheuer einen Besuch abgestattet. An dem rund einstündigen Gespräch nahmen auch Vertreter der Stiftung "Pro Oriente" teil, wie diese in einer Aussendung am Freitag mitteilte. Sus dankte Bischof Scheuer stellvertretend für das gesamte Bundesland für die rasche Hilfe, die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen und die unbeschreibliche Welle an Solidarität. Die Unterstützung vom ersten Kriegstag an sei bemerkenswert gewesen und habe geholfen, das Leid in der Ukraine zu lindern.
Der Generalvikar der ukrainischen Gemeinden in Österreich, Yuriy Kolasa, der Sus auf seiner Reise nach Linz begleitete, hob die unbürokratische Hilfe der Oberösterreichischen Landesregierung und der Stiftung Pro Oriente hervor, als es galt, Unterkünfte für Flüchtlinge zu organisieren. Der Linzer Diözesanbischof versicherte seinem ukrainischen Amtskollegen die weitere Hilfe und versprach ihm sein Gebet für die Menschen in der Ukraine. Josef Pühringer als Vorsitzender der Stiftung Pro Oriente hob den Einsatz der christlichen Kirchen für einen Dialog des Friedens hervor.
Im Anschluss an das Treffen mit Bischof Manfred Scheuer feierte der Kiewer Bischof mit der ukrainischen Gemeinde in Oberösterreich ein Abendgebet. Die ukrainische Gemeinde, die seit dem Ausbruch des Krieges um das Zehnfache angewachsen ist, wurde für ihr beispielhaftes Engagement mit dem diesjährigen Solidaritätspreis der Diözese Linz ausgezeichnet. Neben einem Beitrag der Stiftung Pro Oriente überreichte Pastoralamtsleiterin Gabriele Eder-Cakl gesammelte Spenden an Generalvikar Kolasa für die Hilfsaktionen der ukrainischen Gemeinde. Für Freitagnachmittag stand noch ein Besuch in Graz bei Bischof Wilhelm Krautwaschl auf dem Programm.
(Spendenkonto des Ostkirchenordinariates von Kardinal Schönborn für die Ukraine-Hilfe: IBAN: AT78 1919 0001 3602 6950, Zahlungsreferenz: 3722401205, Kennwort: Ukrainehilfe)
Quelle: kathpress