Umweltethiker Rosenberger: "Wann, wenn nicht jetzt" ökologisieren?
Dass in Zeiten des Ukrainekrieges und der damit verbundenen wirtschaftlichen Anspannung Forderungen auftauchen, das Ökologiethema hintanzustellen, ist für den Theologen und Umweltethiker Prof. Michael Rosenberger psychologisch verständlich. "Und die Argumente dafür, dass die Krise die Umkehr erschwert, sind auf den ersten Blick sehr schlüssig", gab der an der Katholischen Privatuniversität Linz (KU) Moraltheologie lehrende Umweltsprecher der Diözese Linz zu. Dennoch: "Wann, wenn nicht jetzt, ist der Moment, um unsere Landwirtschaft zu ökologisieren! Und wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt, unser eigenes Ernährungsverhalten zu verändern!", schrieb Rosenberger im aktuellen KU-Semestermagazin "Triolog".
Seine Überlegungen betitelte der Theologe mit der Frage "Rückkehr zum Alten oder Aufbruch zum Neuen?" - und seine Antwort ist eindeutig: Jede Krise sei eine Chance zur grundlegenden Neuorientierung. Die ökologische Wende sei machbar. "Ob sie 'business as usual' verstärkt oder Reformen initiiert, ist in demokratischen Gesellschaften eine Sache aller." Konkret bedeute das: "Weniger Fleisch, dafür zu einem faireren Preis. Mehr regionale Produkte, die nach höheren Umweltstandards produziert werden. Und weniger Wegwerfmentalität, wenn das Brot trocken oder der Apfel runzlig geworden ist."
Natürlich brauche es dazu flankierende politische Maßnahmen, betonte Rosenberger. Er plädierte für finanzielle Hilfen für die ärmsten Menschen hierzulande und im globalen Süden, für Unterstützung jener landwirtschaftlichen Betriebe, die Umstellungen besonders hart treffen, für eine konsequente Förderung des öffentlichen Verkehrs und anderes mehr.
Kehrtwende trotz Mangel zu schaffen
Mit dem Krieg in der Ukraine gingen noch kaum zu erahnende Auswirkungen einher. Rosenberger erwähnte erneute massive Fluchtbewegungen, steigende Rohstoffpreise und ausbleibendes Wirtschaftswachstums. Die aktuell reduzierten Exporte aus der "Kornkammer Europas" führten zu Not in Nahost und Afrika, bei Pflanzenölen sei auch die EU als große Importeurin vom Mangel unmittelbar betroffen. Ähnlich verhalte es sich bei Stickstoffdünger, der zu einem großen Teil aus Russland und der Ukraine bezogen wird, wie der Experte erläuterte. Das große EU-Ziel eines Green Deal mit seinen ambitionierten Klimazielen werde vor diesem Hintergrund zunehmend wieder in Frage gestellt.
Dabei dürften jedoch folgende Tatsachen nicht übersehen werden, so Rosenberger: 70 Prozent des europäischen Getreides werde an Tiere verfüttert, zehn Kalorien Futtergetreide würden jedoch lediglich eine Kalorie Rindfleisch ergeben. Zwölf Liter Pflanzenöl pro Person und Jahr würden in der Europäischen Union Kraftstoffen beigemischt und landeten statt auf dem Teller im Tank von Fahrzeugen. Der mit Erdgas energieaufwändig produzierte Stickstoffdünger sei eine der großen Bedrohungen der Biodiversität und eine Belastung der Gewässer, wies der Theologe hin. Außerdem würden weltweit - und Österreich sei da keine Ausnahme - 50 Prozent aller Lebensmittel im Müll landen. "Wir hätten mehr als genug Lebensmittel, um alle Menschen auf dem Planeten gut zu ernähren!"
Vor diesem Hintergrund wolle er genau entgegen den hörbaren Rufen nach einem Klimaschutzaufschub argumentieren, schrieb Rosenberger. Es gelte, die "Krise als Weckruf und Chance" zu nutzen.
Quelle: kathpress