
Weiter Debatte um Vatikan-Erklärung zum deutschen "Synodalen Weg"
Die theologische Debatte um die vor einer Woche veröffentlichte und sehr knappe "Erklärung des Heiligen Stuhls" zum deutschen "Synodalen Weg" hält auch in Österreich an. Aktuell haben sich dazu zwei aus Deutschland stammende und in Österreich lehrende Theologen unterschiedlich positioniert: Prof. Jan-Heiner Tück von der Theologischen Fakultät in Wien sieht in der Vatikan-Erklärung ein "doppeltes Stoppschild" und leitet vier konkrete Forderungen an die deutschen Bischöfe daraus ab. Der Salzburger Fundamentaltheologe Prof. Gregor Maria Hoff ortet hingegen gravierende Probleme im kurialen Selbstverständnis von Synodalität an sich. Einig sind sich beide darin, dass man eine Vatikan-Erklärung ohne Nennung des Verfassers berechtigterweise ob des Kommunikationsstils kritisieren könne.
Der Wiener Dogmatiker Tück konstatiert in einem Beitrag auf "NZZ-Online" (Mittwoch) sehr unterschiedliche Positionierungen in der Kirche in Deutschland: "Die Kompassnadeln zeigen in unterschiedliche Richtungen. Die erneuerte, bunte Kirche, die die einen anstreben und für zeitgemäß halten, ist für die anderen kaum noch katholisch, so dass Diagnostiker ganz unterschiedlicher theologiepolitischer Couleur bereits von einem Schisma in der katholischen Kirche in Deutschland sprechen."
Als Antwort darauf empfiehlt Tück: "Um mögliche Spaltungen abzuwenden und bestehende Risse zu heilen, muss die binnenkirchliche Kommunikation von Exkommunikationsreflexen freigehalten und eine neue Kultur des Zuhörens eingeübt werden." Auch sei es wichtig, die gemeinsame Ausrichtung aller wiederzufinden und die geistlichen Ressourcen zum Sprechen zu bringen. Echte Erneuerung komme aus der Begegnung mit dem Evangelium. "Vom Glauben an Gott, dem Bekenntnis zu Christus, der rettenden und versöhnenden Kraft des Wort Gottes aber ist im Schlagabtausch der aktuellen Debatten kaum etwas zu hören", hält Tück besorgt fest.
Erschwerend komme hinzu, dass die deutschen Bischöfe "teils überfordert und leitungsmüde" wirkten. Es wäre auch falsch, auf die vatikanische Erklärung mit einer Trotzhaltung oder mit der Bedienung antirömischer Affekte zu reagieren. Dies sei auch deswegen verfehlt, weil das Schreiben aus Rom "nicht nur ein Stoppschild" sei, sondern ausdrücklich dazu einlade, "die Voten des Synodalen Weges in Deutschland in den universalkirchlichen Prozess einzuspeisen".
Vorschläge an deutsche Bischöfe
Vor diesem Hintergrund formuliert Tück an die Adresse der deutschen Bischöfe vier Vorschläge, von denen der erste am konkretesten ausformuliert ist: "Sie sollten von der illusionären Idee der Verstetigung des Synodalen Rates Abstand nehmen und die Abstimmung darüber von der Tagesordnung der nächsten Synodalversammlung streichen." Eine Rätekirche wäre eine neue Form der Kirchenleitung, das habe Rom klar erkannt. "Statt sich selbst in eine unbequeme Sandwich-Position zu manövrieren und zwischen universalkirchlichen Vorgaben und Reformimperativen eines nationalen Leitungsgremiums zerrieben zu werden, sollten die Bischöfe ihre Leitungsautorität klug,
verantwortungsbewusst und eben nicht autoritär wahrnehmen." Zweitens sollten die deutschen Bischöfe laut Tück "die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs weiter zügig und betroffenensensibel vorantreiben und die Durchleuchtung der einzelnen Diözesen durch externe Experten deutschlandweit abstimmen und synchronisieren." Weiters sollten die Bischöfe die Kommunikation mit den Amtsbrüdern der Nachbarländer verstärkt aufnehmen und die Vernetzung mit der Universalkirche auf gleicher Augenhöhe voranbringen.
Schließlich sollten die deutschen Bischöfe bei den konkreten Reformforderungen Augenmaß walten lassen und eine Priorisierung der Themen überlegen. "Wer alles fordert, wird nichts erreichen - und die Frustration nur befördern." Die römische Einladung, die Voten des Synodalen Weges in Deutschland in den synodalen Prozess der Weltkirche einzuspeisen, sollte als "Ausdruck der Wertschätzung und Ermutigung" begriffen werden. Tück wörtlich: "Die Eingaben haben allerdings nur dann eine Chance, rezipiert zu werden, wenn die Kirche aus Deutschland nicht als Oberlehrerin der anderen, sondern selbst lernbereit auftritt."
Kuriale Vorurteile
Als in der Sache eigentlich unbegründet bewertet indes Prof. Hoff die Vatikan-Erklärung. In einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Furche" (Donnerstag) zitiert der Fundamentaltheologe die Satzungen des deutschen Synodalen Weges, wo es ausdrücklich heißt: "Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt." Der Salzburger Theologe kann sich über das "Mahnschreiben" aus Rom daher nur wundern und fragt: "Liest man in Rom nicht, was sich der Synodale Weg vorgibt? Oder will man nicht glauben, was auch Bischöfe beteuern?"
Hoff wertet die jüngste römische Intervention als einen Widerspruch zum vom Papst selbst initiierten weltweiten Synodalen Prozess, und der dabei erforderlichen Hörbereitschaft, denn: "In Rom scheinen synodale Klarstellungen (aus Deutschland, Anm.) gegen kuriale Vorurteile indes nichts auszurichten." Was wirklich erschüttere, so Hoff weiter, "ist die empathiefreie Ignoranz gegenüber dem Anlass des Synodalen Weges: der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Es hat systemische Gründe, wie eine Serie von Gutachten belegt. Aber auch hier scheint die Hörbereitschaft im Vatikan nicht ausgeprägt."
Insgesamt erzeuge der Vorgang um die Vatikan-Erklärung neben Irritationen den "Eindruck kurialen Unbehagens in synodaler Kirchenkultur". Hoff abschließend: "Man will Impulse des (deutschen, Anm.) Synodalen Wegs weltkirchlich einspeisen. Aber die Angst vor einem Systemwechsel in der kirchlichen Energiezufuhr erzeugt römische Hitzewellen. Verständlicherweise. Denn eine wirklich synodale Kirche verträgt sich kaum mit jenem römischen Katholizismus, der an kurialer Zentralmacht haftet."
Quelle: kathpress