Ministerin Raab: "Religionsfreiheit ist sehr hohes Gut"
"Religionsfreiheit ist ein sehr hohes Gut." - Mit dieser Feststellung hat Kultusministerin Susanne Raab auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) reagiert, die am Dienstagmorgen veröffentlicht wurde. Demnach war das coronabedingte Betretungsverbot für Kultureinrichtungen im Herbst 2021 laut VfGH gleichheitswidrig. Grund dafür ist für die Verfassungsrichter aber nicht das Verbot an sich, sondern dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Kunst- und Religionsausübung bestand.
Ministerin Raab äußerte sich dazu auf Anfrage im Rahmen einer Pressekonferenz. Sie hob dabei die gute Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften in der Pandemie hervor. Es sei der Regierung stets wichtig gewesen, "dass Regelungen partnerschaftlich getroffen werden"; im Sinne des österreichischen Kooperationsmodells zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat.
Die Kultusministerin zeigte sich zudem überzeugt, dass der Glaube und die gemeinsame Religionsausübung sowie auch entsprechende Möglichkeiten der Seelsorge vielen Menschen im Land gerade in Krisenzeiten Halt geben. Diese hätten deshalb nicht nur für den einzelnen, sondern für die gesamte Gesellschaft einen besonders hohen Stellenwert.
Komplexe Rechtsmaterie
Die 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung sah für den Zeitraum vom 22. November bis 11. Dezember 2021 einen bundesweiten Lockdown (auch für Geimpfte und Genesene) vor. Das Betreten des Kundenbereichs von Kultureinrichtungen war in diesem Zeitraum ausnahmslos untersagt (Paragraf 7, Abs 1 Z 4). Hingegen waren Zusammenkünfte zur Religionsausübung vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen (Paragraf 18, Abs 1 Z 7).
Mit der Entscheidung vom 30. Juni 2022 erkannte der VfGH über einen Antrag mehrerer Kulturschaffender, der unter anderem darauf gerichtet war, die besagte Bestimmung des Paragrafen 7 (wonach das Betreten und Befahren des Kundenbereichs von Kultureinrichtungen zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Kultureinrichtungen untersagt ist) und allenfalls auch die besagte Bestimmung des Paragrafen 18 (wonach die Verordnung für Zusammenkünfte zur Religionsausübung nicht gilt) wegen Gesetz- und/oder Verfassungswidrigkeit aufzuheben.
Im Ergebnis hat der VfGH erkannt, dass die besagte Bestimmung des Paragrafen 18, Abs 1 Z 7 nicht gesetzeskonform war. In seinen entsprechenden inhaltlichen Erwägungen im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz führt der VfGH in diesem Zusammenhang an, dass "zwischen dem Zusammenkommen von Personen zu religiösen Zwecken einerseits und zu künstlerischen Zwecken andererseits im Hinblick auf die Zielsetzung der Beschränkungen der 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, Menschenansammlungen möglichst hintanzuhalten, kein solcher Unterschied [besteht], der es rechtfertigen würde, Zusammenkünfte im Schutzbereich des Art. 17a StGG praktisch weitestgehend zu untersagen, während Zusammenkünfte im Schutzbereich des Art. 9 EMRK schlechthin möglich sind".
Das Vorsehen einer Bestimmung wie jener des Paragrafen 18 Abs 1 Z 7 sei somit, so Markus Brandner, Rechtsreferent der Österreichischen Bischofskonferenz, gegenüber Kathpress, nicht grundsätzlich unzulässig. Der VfGH habe die Unzulässigkeit im konkreten Fall vielmehr darin erkannt, dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Grundrecht auf Kunstfreiheit vorlag. Ausnahmen vom Geltungsbereich der Verordnung seien somit grundsätzlich zulässig, jedoch seien ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen gegenüber anderen grundrechtlich geschützten Bereichen zu vermeiden.
Diesbezüglich sei festzuhalten, so Brandner, dass die Feier öffentlicher Gottesdienste in den Kernbereich der inneren Angelegenheiten anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften falle. Deren Wahrnehmung durch die betreffenden Religionsgemeinschaften selber sei insbesondere durch das Staatsgrundgesetz 1867 (StGG, Artikel 15) verfassungsgesetzlich geschützt. Darüber hinaus sichern bzw. gewährleisten die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, Artikel 9) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Artikel 10) den Schutz der korporativen Religionsfreiheit auf verfassungsgesetzlicher bzw. europarechtlicher Ebene.
Die Gewährleistung der gemeinschaftlichen Religionsausübung als "religiöses Grundbedürfnis" sei vor diesem Hintergrund jedenfalls für die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften verfassungsgesetzlich geboten gewesen, so Brandner. Auf dieser verfassungsgesetzlichen Grundlage und in Wahrnehmung ihrer jeweiligen innerreligionsgemeinschaftlichen Regelungskompetenz hätten die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit der Regierung verbindliche Regelungen in Kraft gesetzt, um auf die seinerzeitige epidemiologische Situation zu reagieren. So sei für die Feier öffentlicher Gottesdienste in der Katholischen Kirche ein Abstand zu anderen Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, von mindestens zwei Metern, wie auch das Tragen einer FFP2-Maske während des gesamten Gottesdienstes, auch bei Gottesdiensten unter freiem Himmel, verpflichtend vorgeschrieben gewesen, erinnerte der Vertreter der Bischofskonferenz.
Quelle: kathpress