
Wien: Interdisziplinäres Forschungsprojekt rund um Reichskrone
Ein "in jeder Hinsicht bahnbrechendes Forschungsprojekt" des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) ist aktuell einem hochrangigen Symbol europäischer Geschichte gewidmet; der in der Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrten Reichskrone. Die vor einem Jahrtausend - zwischen 950 und 1150 - gefertigte Insigne, mit der über Jahrhunderte hinweg die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurden, ist voller biblischer Symbolik. Trotz der langen Forschungsgeschichte gibt es laut KHM-Generaldirektorin Sabine Haag noch immer zahlreiche offene Fragen rund um die Reichskrone, denen nun im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts bis 2024 auf den Grund gegangen wird. Dafür bittet das KHM um Spenden.
Franz Kirchweger, Kurator für mittelalterliche Kunst der Kunst- und Schatzkammer und Leiter der Forschungsgruppe zur Reichskrone, gab in einer KHM-Aussendung Auskunft über die "überaus arbeitsintensive erste Phase" des Projektes. Derzeit werde jeder einzelne Bestandteil der aus Gold, Edelsteinen, Perlen und Email gefertigten Krone mithilfe eines 3D-Mikroskops neuester Generation erfasst und dokumentiert. Dies ermögliche völlig neue Blicke auf die Krone und ihre Einzelteile. Damit verbunden sei eine naturwissenschaftliche Untersuchung und Analyse des kompletten Edelstein- und Perlenbesatzes.
Um die Erkenntnisse zum Material und zur Machart der Reichskrone historisch einordnen zu können und ihre Spezifika herauszuarbeiten, vergleicht sie die Forschungsgruppe mit weiteren Objekten vergleichbarer Art und Zeitstellung, berichtete Kirchweger. Zum Teil stütze sie sich dabei auf bereits vorhandene Studien zu anderen Goldschmiedeobjekten, andere würden selbst vor Ort untersucht. Bisher offen sind Fragen etwa nachdem Karat des verwendeten Goldes oder nach der Herkunft der Edelsteine.
Das Forschungsprojekt, das auch die rund tausendjährige Geschichte des Objektes beleuchten soll, wird noch bis 2024 laufen und kostet viel Geld, wie Sabine Haag hinwies. Trotz der Unterstützung der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung und der Rudolf-August Oetker-Stiftung fehlten noch 60.000 Euro, um das Projekt in vollem Umfang umsetzen zu können. Die KHM-Chefin bat dafür in ihrer Aussendung um Spenden.
Symbol des Gottesgnadentums
Für viele Jahrhunderte galt die Reichskrone als Reliquie Kaiser Karls des Großen (747?-814). Die Forschung weiß inzwischen, dass sie später entstanden sein muss; die erste schriftliche Erwähnung stammt von Walther von der Vogelweide. Die Krone gilt als künstlerische Ausprägung eines theologisch begründeten Herrschaftsanspruches ("Gottesgnadentum") der Herrscher des bis 1806 währende Heiligen Römischen Reiches. Die meisten römisch-deutschen Monarchen seit Konrad II. (um 990-1039) wurden mit ihr gekrönt, dabei wurde sie zusammen mit dem Zepter und dem Reichsapfel übergeben.
Vieles an der zum Typus der mittelalterlichen Bügelkronen zählende Reichskrone ist außergewöhnlich: Sie ist nicht rund, sondern besteht aus acht oben abgerundeten Platten; ein Bügel verbindet das Plattenoktogon mit dem Frontkreuz. Die achteckige Form ist Ausdruck des biblischen Noahbundes, die "8" war im Hochmittelalter auch die Zahl der Verbindung von Himmel und Erde, des Messias und im Weiteren die Kaiserzahl. Ordnung und Programm des gesamten - unvollständig erhaltenen - Steinschmuckes nahmen Bezug auf Vorstellungen vom Himmlischen Jerusalem. Die Zwölfzahl der großen Steine auf Stirn- und Nackenplatte steht symbolisch für die Zwölfzahl der Apostel sowie der Stämme Israels und der Söhne Jakobs.
Bereits seit dem 14. Jahrhundert fehlt der Krone der prominenteste Edelstein des Mittelalters, der sogenannte Waise - vermutlich ein großer Opal oder Karfunkelstein, der u.a. von Albertus Magnus beschrieben wurde. Ersetzt wurde er später von einem Saphir, der allerdings nicht genau in die vorhandene Fassung passte.
Wo die Reichskrone hergestellt wurde, ist bis heute wissenschaftlich umstritten. Vermutet werden eine niederrheinische, eine Kölner oder Essener Werkstatt,aber auch das Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau, wo es neben der Reichskanzlei auch eine Goldschmiede gab.
(Spenden sind erbeten auf das Konto des KHM-Museumsverbandes, IBAN: AT70 6000 0005 1014 1679, Verwendungszweck: "Spende Crown")
Quelle: kathpress