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Martin Barmettler ofm

Orden: "Armut bedeutet, nicht in Machtpositionen sein zu wollen"

Weltweiter Ordensoberer der Franziskaner, P. Fusarelli, im "Salzburger Nachrichten"-Interview über Armut, Frauenpriestertum und rückläufige Berufungen - "Wichtig ist, einen einfachen Lebensstil zu behalten"

15.10.2022

"Armut bedeutet für die Franziskaner heute, nicht in Machtpositionen sein zu wollen. Und dass wir auch mit niedriger Arbeit zufrieden sind." Das hat Generalminister des Franziskanerordens, P. Massimo Fusarelli, im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (Samstag) betont. Der Leiter des weltweiten Franziskanerordens besucht in diesen Tagen Österreich. Im Interview äußerte sich der Ordensobere auch zu den schwindenden Berufungen in Europa, der Forderung nach dem Frauenpriestertum und berichtete über eine Digitalisierungsoffensive im Orden.

 

Auf die jüngste Sanierung des Salzburger Franziskanerklosters angesprochen, meinte Fusarelli: "Von Anfang an lebten wir in dieser Spannung - als Brüder arm leben, aber zugleich mit großen Strukturen und Gebäuden." Einige der historischen Gebäude sollte der Orden erhalten, "aber nicht alle", so Fusarelli: "Es wäre nicht okay, wenn wir ein Kloster wie dieses renovieren würden und daraus eine Villa nur für uns entstehen würde. Das wäre auch dumm, weil es mühsam ist, das alles zu erhalten." Der Ordensobere räumte freilich ein, "dass dieser Diskurs und die Frage der Armut für die Franziskaner sehr delikat ist. Wir können nie sagen, dass wir es erreicht haben und dass wir wirklich arm sind."

 

P. Fusarelli berichtete aus seinem eigenen Leben als Ordensmann: "Vor 13 Jahren verließ ich meine Kurie und mietete mit zwei weiteren Brüdern eine Wohnung am Stadtrand von Rom. Dort lebten wir mit Flüchtlingen. Wir haben gearbeitet, um zu leben. Wir hatten keine große Kirche." Heute lebe er in einem großen Haus in Rom, der curie generale, fliege mit Flugzeugen und sei mit dem Schnellzug unterwegs. "Mir ist bewusst, dass das nicht Armut ist. Wichtig ist für mich, dass ich das nicht für mich ausnutze, sondern einen einfachen Lebensstil behalte. Und auch, dass ich den Kontakt zu den Menschen in Not nicht verliere", so der Ordensobere. An manchen Abenden in Rom gehe er auf die Straße und besuche Obdachlose. "Ich mache das nicht, weil ich wohltätig sein will, sondern weil ich spüre, dass ich etwas in diesen Begegnungen mit den Menschen empfange."

 

Darauf angesprochen, dass die Zahl der Ordenseintritte in Europa stark rückläufig ist, meinte Fusarelli: "Wir haben erkannt, dass wir von der Lebenswelt der jungen Menschen zu weit entfernt sind. Das betrifft die Sprache, die Kultur und die digitale Welt, in der die Jungen leben." Er sei viele Jahre in der Jugendarbeit tätig gewesen und wisse, "dass es dafür eine große Uneigennützigkeit braucht und man dort nicht sofort Resultate sieht".

 

Natürlich mache es ihm Sorge, dass es in Europa zu wenige Berufungen gibt, aber er sei auch immer wieder sehr erstaunt, "welche jungen Menschen wiederum eine Berufung erfahren. Der Großteil davon hatte bereits eine Karriere und lässt diese für seine Berufung zurück." Dass es weniger Eintritte gibt, habe zudem aber auch damit zu tun, "dass wir in der Unterscheidung wachsamer geworden sind, wer die Berufung hat und wer die Voraussetzungen hat, um einzutreten", so der Ordensobere. "Ich sage nicht, alle sollen kommen, nein. Wir nehmen nicht jeden auf."

 

"Die Kirche ist international"

 

Zur Forderung, das Weiheamt für Frauen zu öffnen, meinte der Ordensobere, dass die letzten Päpste immer unterstrichen hätten, "dass die Frau in der Kirche eine wichtige Bedeutung hat und auch mehr Raum haben soll". Die anthropologische und theologische Begründung, warum Frauen nicht zu Priesterinnen geweiht werden dürfen, sei heute für die Menschen immer weniger verständlich, räumte Fusarelli ein: Aber: "Die Kirche ist international. Es gibt sehr verschiedene Kulturen. Nicht alle Kulturen würden das akzeptieren, wenn Frauen zu Priesterinnen geweiht werden würden." Aus seiner Sicht könne deshalb nicht eine Kultur allein entscheiden. Und: "Wir Franziskaner haben den Auftrag, der katholischen Kirche treu zu sein. Deswegen wollen wir den Übergangsprozess, der jetzt im Moment stattfindet, gemeinsam gehen. Das bedeutet nicht, dass die Brüder nicht vorausdenken dürfen und Vorschläge machen."

 

Dieses Prinzip gelte etwa auch im Blick auf die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. P. Fusarelli: "Als ich Pfarrer war, haben mich drei homosexuelle Paare um eine Segnung gebeten. Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden. Für die Paare war es wichtig, über ihren Glauben nachzudenken. Sie waren sehr weit von der Kirche entfernt. Sie haben eine Gemeinschaft gefunden, die ihnen zugehört hat. Das war für sie schon eine wichtige Erfahrung. Ich habe gelernt, dass es darum geht, die konkrete Person wahrzunehmen und ihr Aufmerksamkeit zu geben. Der Weg, den wir mit den Paaren gegangen sind, war für sie wie eine Segnung - sodass sie im Anschluss gar nicht mehr um den Ritus der Segnung gebeten haben."

 

Fusarelli berichtete im Interview weiters auch von einer neuen Online-Initiative des Ordens: "Seit drei Monaten haben wir unsere sozialen Auftritte verstärkt." Das Kommunikationsbüro werde erneuert und neues Personal angestellt, um auf verschiedenen Kanälen präsent zu sein. Fusarelli: "Wir müssen lernen, was es bedeutet, heute zu kommunizieren. Wir haben Brüder in den Provinzen in Südamerika, die in diesem Bereich sehr stark sind. Im Vergleich dazu sind wir hier in Europa alte Leute. Auch in Nordamerika haben wir Brüder, die regelrechte Instagram-Stars sind."

 

Weltweit gibt es mehr als 12.000 Franziskaner in 119 Ländern. Die Franziskanerprovinz zum heiligen Leopold in Österreich und Südtirol umfasst 18 Niederlassungen, in denen insgesamt 107 Mitbrüder leben.

 

 

Quelle: kathpress

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13. Okt. 2022
Orden

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