
NGOs: Lieferkettengesetz soll Opferschutz ins Zentrum stellen
Eine Podiumsdiskussion im Haus der EU in Wien widmete sich dieser Tage der Frage, wie ein Lieferkettengesetz Menschen und Umwelt wirksam schützen kann. Der Tenor der Veranstaltung: Der Opferschutz muss im Mittelpunkt stehen, wie die Dreikönigsaktion am Montag in einer Aussendung mitteilte. Gäste aus Brasilien forderten angesichts des Dammbruchs von Brumadinho 2019, bei dem mehr als 270 Menschen ums Leben kamen, dass für Geschädigte die Hürden im Zugang zum Rechtssystem abgebaut werden. Ein Lieferkettengesetz müsse präventiv wirken und auch Interessensgruppen wie Organisationen der Anwohner, Nichtregierungsorganisationen und Arbeitnehmervertretungen verpflichtend einbinden.
Die verbindliche Einbindung von Interessengruppen im vorliegenden Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz nachzubessern, sei zudem im Zuge der Veranstaltung ein mehrfach vorgebrachtes Anliegen gewesen, hieß es. Carolina de Moura Campo vom brasilianischen Instituto Cordilheira schilderte, was Bergbau in ihrer Heimatregion bedeutet. Eisenerzvorkommen überlappen sich mit den oberirdischen und unterirdischen Wasservorkommen. Nahezu alle Wasserläufe sind flächendeckend mit Bergbaukonzessionen überzogen. "Der Konflikt zwischen Wasser und Bergbau ist unversöhnbar. Die Entscheidung ist: Eisenerz oder Wasser", so die Aktivistin.
Bereits mehr als ein Jahrzehnt vor der Tragödie von 2019 habe man in Brumadinho kontinuierlich versucht, mit dem Bergbaukonzern Vale in Kontakt zu treten und auf Umwelt- und Sicherheitsrisiken hinzuweisen. "Hätte man uns nur ein wenig zugehört, hätte der Tod von 272 Menschen mit relativ geringem Aufwand verhindert werden können", so de Moura.
Zu Gast in Wien war auch der Menschenrechtsantwalt Danilo Chammas, der Angehörige von Opfern des Brumadinho-Desasters in Gerichtsverfahren in Brasilien und Deutschland begleitet und vertritt. Der Jurist nannte als zentrales Anliegen, dass für Geschädigte bestehende Hürden im Zugang zum Rechtssystem abgebaut werden müssten. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die gerechtere Verteilung der Beweislast: "Sie können sich vorstellen, wie schwierig es für einfache Kleinbauernfamilien oder Fischer am Paraopeba-Fluss ist, Beweise zu Fehlentscheidungen und Versäumnissen in den Konzernzentralen in Rio de Janeiro oder München zu erbringen", so der Anwalt.
Andrea Reitinger, von "EZA Fairer Handel", der größten und traditionsreichen Importorganisation im Bereich fairer Handel in Österreich, unterstrich die Notwendigkeit eines generellen Umdenkens: "Die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten entlang von Lieferketten muss für alle Unternehmen den gleichen Stellenwert bekommen wie die Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele. Nur so können wir gemeinsam eine zukunftsfähige Wirtschaft entwickeln."
Auf die Rückfrage zur oftmals geäußerten Sorge von Unternehmen und deren Verbänden, dass die Umsetzung des Lieferkettengesetzes aufwendig und fordernd sein wird, meinte Reitinger: "Es sagt keiner, dass es einfach ist. Das ist aber kein Grund, es nicht zu tun."
Sigrid Kickingereder, Bundesgeschäftsführerin der Katholischen Jungschar und der Dreikönigsaktion, brachte den Anspruch an ein europäisches Lieferkettengesetz zusammenfassend auf den Punkt: "Es muss betroffenen Kindern in Brumadinho nützen, es muss derartige Tragödien in Zukunft verhindern helfen, und es müssen Firmen und Entscheidungsträgern zur Verantwortung gezogen werden, die menschliches Leid, ja sogar Tote und massive Verwüstung in Kauf nehmen, damit die Unternehmenszahlen stimmen."
Quelle: kathpress