
Wien: Kirche würdigt wissenschaftliche Spitzenleistungen
Die Erzdiözese Wien ehrt alljährlich wissenschaftliche Spitzenleistungen: Kardinal Christoph Schönborn hat am Samstag international renommierte Vertreter von Geistes- und Naturwissenschaften sowie wissenschaftliche Publizistik mit "Kardinal-Innitzer-Würdigungspreisen" ausgezeichnet. Geehrt wurden bei dem Festakt im Wiener Erzbischöflichen Palais die Archäologin Sabine Ladstätter, der Biochemiker Erwin Wagner und die Wissenschaftsjournalistin Tanja Traxler; auch acht Förderpreise an namhafte bzw. vielversprechende Forscherpersönlichkeiten wurden vergeben. Hauptpreisträger für sein Lebenswerk sollte der Physiker Kurt Binder sein, der jedoch am 27. September 2022 nach schwerer Krankheit verstarb. Seinen Angehörigen wird der Preis 2023 posthum verliehen.
Der Wiener Erzbischof erinnerte in seinen Begrüßungsworten die rund 100 Festgäste an seinen Vorgänger Kardinal Theodor Innitzer. Dessen öffentliche Befürwortung - unter starkem Druck der nationalsozialistischen Führung - des "Anschlusses" Österreichs ans Deutsche Reich vor der Volksabstimmung darüber am 10. April 1938 habe immer wieder Zweifel aufkommen lassen, ob Innitzer ein geeigneter Namensgeber für eine der wichtigsten Forschungsauszeichnungen in Österreich ist.
Für Schönborn besteht darüber kein Zweifel - auch wenn Innitzer "seinen Fehler sein Leben lang zutiefst bedauert" habe. Schon Jahre davor hatte Innitzer "als einer der wenigen" den von Stalin in den 1930er-Jahren angeordneten "Holodomor" (eine absichtlich herbeigeführte Hungersnot vor allem im ukrainischen Teil der damaligen Sowjetunion) angeprangert, wies Schönborn hin. Und auch in der NS-Zeit habe Innitzer mit der Errichtung der "Erzbischöflichen Hilfsstelle für nichtarische Katholiken" nicht nur konvertierten Juden die Flucht ins sichere Ausland ermöglicht. Gegenüber den diesmal ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonte Schönborn deshalb, es sei keine Schande, mit dem Namen Innitzer geehrt zu werden.
Der nach Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955) benannte Wissenschaftspreis ist eine der angesehensten Auszeichnungen dieser Art in Österreich. Er wird seit 1962 von der Erzdiözese Wien verliehen und vom Wissenschaftsministerium, mehreren Bundesländern, sowie von Banken, Versicherungen und der Wirtschaftskammer unterstützt. Die Liste der Preisträger liest sich wie ein "Who is who" der österreichischen Wissenschaft - und sie wurde am Samstag um weitere Namen erweitert.
Forschung im antiken Ephesus
Die Laudatio für "die derzeit wohl bekannteste österreichische Archäologin" Sabine Ladstätter hielt em. Univ.-Prof. Herbert Matis vom Studienausschuss des Innitzer-Fonds. Die gebürtige Kärntnerin studierte ab 1986 in Graz Klassische Archäologie und Alte Geschichte, leitete Grabungen auf dem Hemmaberg, in Feldkirchen und seit Jahren in Ephesus, eine in der Antike bedeutende Hafenstadt mit dem Artemistempel als eines der antiken "Sieben Weltwunder", die auch eine wichtige Rolle für die Ausbreitung des Christentums spielte. Politische Spannungen mit der türkischen Regierung führten ab 2016 zu einem Tauziehen um die Fortführung der Arbeit des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI), "Frau Ladstätter hat auch in diesen Krisenjahren die Ephesus-Forschung am Leben erhalten", sagte Matis über die bereits 2011 als "Wissenschaftlerin des Jahres" Ausgezeichnete.
Über den ebenfalls aus Kärnten stammenden Erwin Wagner sagte Univ.-Prof. Klemens Rappersberger, dieser sei einer der führenden Biochemiker und Molekularbiologen auf dem Gebiet der Tumorbiologie und beschäftige sich dabei ganz besonders mit dem Zusammenhang zwischen "Entzündung und Krebs". Wagners wissenschaftliche Karriere führte nach dem Studium in Graz u.a. ans Fox Chase Cancer Center in Philadelphia und ins European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg, seit 2019 leitet er eine Arbeitsgruppe an der Universitätsklinik für Dermatologie und Labormedizin an der Medizinischen Universität Wien.
Quanten durch Sockenfarbe erklärbar
"Wie man anhand der Farbe von Socken die Verschränkung von Quanten veranschaulichen kann, v.a. aber um die Vorstellung von Realität" ging es jüngst nach der Nobelpreisverleihung an Anton Zeilinger in einem Beitrag von Tanja Traxler für die Tageszeitung "Der Standard", wie ihre Kollegin Barbara Daser (ORF Wissenschaft) in ihrer Laudatio festhielt. Solche Verschränkungen von Physik und Philosophie seien das "Steckenpferd" der Journalistin, das Traxler auch als Lehrbeauftragte an der Angewandten in Wien reite. Die Geehrte leiste mit ihren Artikeln einen wichtigen Beitrag gegen die in Österreich leider sehr verbreitete Wissenschaftsskepsis, merkte Daser an.
2023 zu einem noch nicht genannte Zeitpunkt soll die Ehrung für den Physiker Kurt Binder (1944-2022) nachgeholt werden, kündigte Kardinal Schönborn an. Der vor zehn Jahren emeritierte Hochschullehrer war ein weltweit führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der statistischen Physik der kondensierten Materie. Er starb am 27. September 2022 nach schwerer Krankheit, nachdem sich die Jury des Kardinal-Innitzer-Studienfonds entschieden hatte, Binder mit dem diesjährigen großen Innitzer-Preis für das wissenschaftliche Lebenswerk auszuzeichnen.
"Kardinal-Innitzer-Förderungspreise" erhielten Timon Erik Adolph und Verena Wieser von der Med-Uni Innsbruck, Claudia Wutscher, Daniel W. Blum und Stephan Leixnering von der WU Wien, Richard Küng und Yolanda Salinas von der Kepler-Uni Linz sowie Roman Gabl (University of Edinburgh). (Info: www.kardinal-innitzer-fonds.at)
Quelle: kathpress