
Bericht 2022: Fundraising Verband rechnet mit Spenden-Rückgang
Nach Jahren der Spendenzuwächse rechnet der Fundraising Verband Austria (FVA) heuer mit einem Rückgang der Spendentätigkeit der Österreicherinnen und Österreicher. Den Hauptgrund dafür sieht der Dachverband Spenden sammelnder Organisationen in der Inflation, die vielen Menschen zu schaffen macht, betonte Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria, bei der Präsentation des Spendenberichts 2022 am Mittwoch in Wien. Im Jahr 2021 konnte demnach noch das zweithöchste Spendenaufkommen des Jahrzehnts verzeichnet werden - insgesamt wurden 900 Millionen an gemeinnützige Organisationen gespendet. Aktuell blicke man aber "mit Sorgenfalten" auf die Spendenaktivität. "Noch nie war die Weihnachtsspende wichtiger als heuer", appellierte er an die Spenderinnen und Spender.
Unter den 100 größten Non-Profit-Organisationen (NPO) Österreichs haben knapp ein Viertel einen kirchlichen Bezug. Mit Abstand die größte ist die Caritas mit einem Spendenaufkommen von 88,16 Mio. Euro im Jahr 2021 (2019: 80,8 Mio.). Größer ist nur mehr das Rote Kreuz (2021: 88,48 Mio. Euro; 2020: 85 Mio. Euro). Weit oben finden sich außerdem noch die Päpstlichen Missionswerke "Missio" (2021 17,35 Mio. Euro; 2020: 13,1 Mio. Euro) und die Dreikönigsaktion (2021: 13,38 Mio. Euro; 2020: 19,6 Mio. Euro). Ebenfalls unter den Top 25 der Spenden sammelnden Organisationen sind die "Concordia Sozialprojekte", "Brot für die Welt" der Diakonie sowie "Jugend Eine Welt". Detaillierte Zahlen für 2022 liegen naturgemäß noch nicht vor.
Auf die humanitäre Katastrophe in der Ukraine haben die Menschen in Österreich mit einer "noch nicht dagewesenen Welle an Solidarität" reagiert, berichtete Lutschinger. "Allein innerhalb der ersten zwei Kriegsmonate wurden unglaubliche 100 Millionen Euro für Ukraine-Hilfe - mehr als 10 Prozent des gesamten Jahresaufkommens", zeigte sich der Geschäftsführer beeindruckt. Bei den Themen nach wie ganz oben sind die Kinderhilfe und der Tierschutz. Letzterer in Kombination mit Naturschutz- und Klimaanliegen verzeichne zudem einen hohen Zuwachs im Vergleich zum vorherigen Jahr (Plus 37 Prozent), aber auch Kirchenanliegen konnten mit einem Zuwachs von 38 Prozent kräftig zulegen.
Österreich sei nach wie vor ein Land der Kleinspender. In fast keinem anderen Land sei der Anteil an privaten Spenden so hoch, berichtete Lutschinger. Auch hier bemerke man aber eine Verschiebung. Seien im vergangenen Jahr noch 71 Prozent der Bevölkerung aktiv am Spenden, seien es heuer nur noch gut zwei Drittel. Ein Gefälle merke man auch von West nach Ost, wobei im westlichen Teil der Republik, die Spendenbereitschaft tendenziell höher sei.
Um den getrübten Aussichten etwas entgegenzusetzen, appelliere Lutschinger an die Politik, endlich die Rahmenbedingungen für den NPO-Bereich zu verbessern, so wie es auch im Regierungsprogramm angekündigt worden sei. Noch sei nichts dergleichen umgesetzt worden, kritisierte der Generalsekretär: "Der Gesetzgeber ist gefordert, endlich aktiv zu werden und wichtigen Spendenzwecken wie Tierschutz und Bildung den Zugang zur Spendenbegünstigung zu ermöglichen". Grundsätzlich gelte es, Anreizsysteme und Förderungen auszubauen, sodass die Bevölkerung merke, dass dieser Bereich auch der Politik ein Anliegen ist.
Entwicklungshilfe unter Zugzwang
Anliegen der Entwicklungshilfe seien 2021 stark unter Zugzwang geraten, berichtete "Jugend Eine Welt"-Geschäftsführer Reinhard Heiserer. In dem Bereich habe sich bereits ein Rückgang von 5 Prozent eingestellt. Der Trend gehe weg von der langfristigen Unterstützung von Projekten, wie sie seine Organisation bereits seit 25 Jahren abwickle, hin zur akuten Katastrophen- und Nothilfe. Er wolle aber davor warnen, die eine Not gegen eine andere auszuspielen. Bildung und die Verbesserung von Lebenssituationen von Frauen und Kindern im Globalen Süden seien langfristige Anliegen. Dass die Entwicklungszusammenarbeit zurückgehe, tue "sehr sehr weh".
Potenzial für die Erhöhung des Gesamtspendenaufkommens in Österreich sieht Ruth Williams, Generalsekretärin beim Verband für gemeinnütziges Stiften, bei den Stiftungen. Diese könnten eine Lücke schließen, die durch ausbleibende Privatspenden entstehe, sie würden aber von den Rahmenbedingungen zurückgehalten. In Österreich würden nur ca. 10 Prozent des Spendenaufkommens aus Stiftungen kommen, was im internationalen Vergleich sehr wenig sei. Es brauche deswegen dringend bessere Rahmenbedingungen für Philanthropie-Maßnahmen, forderte Williams.
Private als Rückgrat des Spendens
Die Analyse des Spendenaufkommens zeigt, dass in Österreich der Großteil der Spenden - nämlich 700 Millionen Euro - von privaten Haushalten kommt. Auch zeigt sich, dass es sich überwiegend um Kleinbeträge handelt, die gespendet werden, so gibt jeder Spender im Durchschnitt 111 Euro. 85 Prozent der Beträge resultieren aus den zahlreichen Beträgen unter 200 Euro, während Spenden über 1.000 Euro nur 2 Prozent aller Spenden ausmachten. Damit ist Österreich kein Land der Großspender.
Im internationalen Vergleich gibt es in Österreich trotz der positiven Entwicklungen noch Luft nach oben. "Spendenweltmeister" sind die Amerikaner, die 2021 insgesamt über 8,6 Milliarden Euro gaben. Innerhalb Europas unterscheiden sich die nationalen Spendenkulturen mitunter stark. Am spendenfreudigsten ist Großbritannien, Österreich bewegt sich im Mittelfeld hinter Deutschland oder Frankreich.
94 Prozent aller Spenden hierzulande sind spendenbegünstigt, können also steuerlich abgesetzt werden. Sämtliche anderen Zwecke schlagen sich mit 6 Prozent zu Buche, darunter Spendenziele wie Tierschutz und Bildung, die von diesem Vorteil ausgeschlossen sind und von der wachsenden Spendenbereitschaft entsprechend wenig profitieren können, kritisiert der Fundraising-Verband. Der Verband fordert die Bundesregierung daher auf, die Lücken bei der Spendenabsetzbarkeit zu schließen und Fairness herzustellen.
Quelle: Kathpress