Telefonseelsorge zu Weihnachten besonders stark nachgefragt
In den Tagen rund um Weihnachten ist die Nachfrage nach Telefonseelsorge-Angeboten besonders groß. "Alles, was man übers Jahr vor sich herschiebt und verdrängt, rückt zu Weihnachten in den Vordergrund und tut besonders weh", betonte Antonia Keßelring, Leiterin der Wiener Telefonseelsorge, in einer Aussendung der Erzdiözese Wien am Donnerstag. Weihnachten ist mit starken Emotionen und Erwartungen aufgeladen. Diese können jedoch oft nicht erfüllt werden, was zu Konflikten und Traurigkeit führe, weiß Keßelring. Die Telefonseelsorge wolle "ein Stück Weihnachten mit Einsamen und Verzweifelten teilen", warb sie dafür, die Angebote per Telefon oder Chat wahrzunehmen.
"Strahlende Gesichter, erleuchteter Christbaum, festliches Essen, alle haben sich richtig lieb", dieses Idealbild von Weihnachten sei oft nicht realistisch, so Keßelring. Oft sind Konflikte und Traurigkeit das Ergebnis und Weihnachten als das "Fest der Liebe und der Familie" werde für viele nicht so erlebt. "Auf kein Fest wird so viel gewartet wie auf Weihnachten. Dadurch baut sich ein enormer Erwartungsdruck auf." In ihrem Arbeitsalltag erlebe sie, dass bei vielen Menschen das "Weihnachtsungeheuer" bereits ab Ende November "durch die Gänge schleicht": diese große Angst der Menschen, zu Weihnachten nicht das zu bekommen, was sie sich erwarten und was sie benötigen - sowohl im materiellen als auch im immateriellen Sinne.
Zeit und ein offenes Ohr schenken
Besonders schlimm, so Keßelring, seien die Feiertage für Menschen, die Weihnachten das erste Mal ohne eine geliebte Person verbringen müssen, etwa nach einem Todesfall oder einer Trennung: "Alle Verluste, die man im Jahr erlitten hat, 'marschieren' nochmals auf". Hier wolle sie gemeinsam mit 170 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Abhilfe schaffen, indem sie Zeit, ein offenes Ohr und Herz schenken. Es gehe nicht darum, alles zu besprechen, sondern darum zuzuhören und den Menschen ernst zu nehmen. Vielmehr sei das Ziel, dass es den Anruferinnen und Anrufern danach besser gehe und sie einen Raum bekommen, sich auszusprechen.
Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich, hält es für wichtig, vorher über die Festtage zu sprechen. "Betroffene sollen sich nicht von zu hohen Erwartungen und Konventionen unter Druck setzen lassen", betonte Breitwieser in einer Aussendung der Diözese Linz. Besonders für Feiern mit Menschen, die im zurückliegenden Jahr einen geliebten Menschen verloren haben, sei es wichtig, vorher abzustecken, "welche Dinge heuer einfach auch nicht bewältigbar sind".
Wichtig sei, auf die Trauergefühle jedes und jeder Einzelnen achten: "Wenn viele Familienangehörige zusammenkommen, ist es umso wichtiger, den trauernden Menschen in seiner Verfasstheit zu akzeptieren", hob Breitwieser hervor. Wer helfen wolle, müsse bereit sein, zuzuhören, verständnisvoll zu sein und sich selbst oder bestimmte Erwartungen ein Stück weit zurücknehmen. Letztlich gelte, niemand sei verpflichtet, zu feiern und Traditionen aufrechtzuerhalten, wenn es einfach zu sehr wehtue. "Was zählt, ist, gut in sich hineinzuhören und sich selbst in seiner aktuellen Verfassung anzunehmen - egal ob mit Christbaum oder ohne", schloss Breitwieser.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at.)
Quelle: kathpress