Caritas-Präsident: Armut gefährdet auch sozialen Zusammenhalt
Schon vor der Teuerungskrise konnten in Österreich 148.000 Menschen ihre Wohnung nicht ausreichend warmhalten. Darauf wies Caritas-Präsident Michael Landau am Freitag im Ö1-Wirtschaftsmagazin "Saldo" hin. Mit dieser Realität dürfe man sich nicht abfinden. Denn es sei ein großes Problem für die Betroffenen, "aber auch eine große Gefahr für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft". Letztlich gehe es allen nur gut, wenn es auch den anderen gut geht - "weil mit einer gespaltenen Gesellschaft niemandem gedient ist".
In der Ö1-Sendung wurde thematisiert, dass die Ausgaben für Strom-, Gas- und Fernwärme immer mehr Haushalte in Österreich belasten und das Problem, Rechnungen zu bezahlen, auch in der Mittelschicht angekommen ist. Caritas-Chef Landau war dazu ebenso Interviewpartner wie Verbund-Vorstandsvorsitzender Michael Strugl.
Landau lobte vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Krise die Kooperation mit dem Verbund beim Stromhilfefonds der Caritas, durch die veraltete, "stromfressende" Geräte ersetzt und auch säumige Zahlende entlastet werden. Es gelte aber auch, den Sozialstaat "ein Stück weit armutsfester zu machen"; Einmalzahlungen würden - so wichtig sie für Betroffene auch seien - nicht ausreichen, warnte Landau. Es brauche strukturelle Verbesserungen für Mindestpensionisten, Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose.
Auf die Frage, ob die Menschen ausreichend motiviert seien, ihren Energieverbrauch zu senken, antwortete Landau: Gerade von Energiearmut Betroffene würden auf jeden Cent achten, "weil sie wirklich am Limit leben".
Strugl bestätigte viele aktuelle Anfragen von "energieverarmten" Kunden. Deshalb sei ein Härtefallfonds eingerichtet worden, "um dort zu helfen, wo die Not drückend ist". Der Verbund unterstütze seit 13 Jahren auch den Stromhilfefonds der Caritas. Strugl teilte die Einschätzung Landaus, es müsse alles getan werden, "damit diese Gesellschaft nicht auseinanderfällt"; es dürfe nicht zu einer Spaltung kommen zwischen solchen, denen es immer noch verhältnismäßig gut geht und denen, die sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können.
Der Verbund-Chef räumte ein, dass der Energiekonzern durch die hohen Marktpreise hohe Gewinne erzielte. Doch als börsennotiertes Unternehmen sei man kaufmännischem Agieren und den Aktionären verpflichtet - die zudem zu 80 Prozent öffentliche Eigentümer seien. "Man müsste in den Strommarkt zeitlich begrenzt eingreifen, um die Preisspitzen zu kappen", regte Strugl an. Dazu brauche es aber ein europäisch koordiniertes Vorgehen, auf das man sich bisher aber nicht einigen konnte. Langfristig helfe nur der Ausbau nichtfossiler Energieträger, um Abhängigkeiten vom Ausland zu beenden.
Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die soziale Sicherheit in einem Land sind nach den Worten Landaus "zwei Pfeiler ein und derselben Brücke". So wie Unternehmen während der Pandemie staatliche Hilfen erwartet und bekommen hätten, müsse das Gemeinwesen auch jetzt für Individuen die schlimmsten Folgen der Energiekrise abfedern. "Too big to fail" gelte nicht nur für Banken, sondern auch für jeden einzelnen Menschen, betonte der Caritas-Präsident. Energiekostenzuschüsse für Unternehmen bezeichnete Landau als wichtig, aber es dürfe auch der Non-Profit-Bereich nicht vergessen werden.
Landau plädiert für NPO-Energiekostenfonds
Gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress strich Caritas-Präsident Landau am Freitag im Interview die Wichtigkeit eines solchen Energiekostenzuschusses für Unternehmen wie auch Non-Profit-Organisationen (NPO) hervor. Der bestehende Energiekostenzuschuss-Fonds stelle für 2022 1,3 Mrd. Euro für energieintensive Unternehmen zur Verfügung. Aber, so Landau: "Der Energiekostenzuschuss-Fonds ist für NPOs weitgehend nicht zugänglich." Das betreffe bis zu 90 Prozent der NPOs, da sie nicht energieintensiv genug seien, um den Förderkriterien zu entsprechen.
Wenn etwa eine Non-Profit-Organisation ein Senioren- und Pflegewohnheim oder eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen führt, dann sei das bei 19 Grad Raumtemperatur nicht möglich. Mit Einsparungen alleine könnten die Mehrkosten nicht abgedeckt werden. Zugleich könnten Einrichtungen wie Pflegewohnhäuser die zusätzlichen Kosten aber nicht den Bewohnerinnen und Bewohnern übertragen, so Landau: "NPOs können ihre Preise nicht selbst gestalten, haben aber einen wichtigen Versorgungsauftrag. Und NPOs arbeiten eben nicht auf Profit, können das also auch nicht anders abfangen." Hier braucht es eine andere Lösung. Landau schlug einen NPO-Energiekostenfonds vor: "Das hat sich in der Corona-Zeit mit dem NPO-Fonds bereits bewährt. Ohne diesen Fonds hätten zahlreiche, gerade kleinere Organisationen, nicht überlebt.
Nun seien die steigenden Energiepreise und Sachkosten wieder eine existenzielle Bedrohung für viele NPOs. Laut einer Umfrage des 'Bündnisses für Gemeinnützigkeit' sehe sich jede fünfte Organisation wegen der Teuerungen in ihrer Existenz bedroht, warnte der Caritas-Präsident.
Quelle: kathpress