Glettler in Indien: Kirche braucht Tradition und pastoralen Aufbruch
Nicht nur in Europa, sondern in allen katholischen Ortskirchen weltweit stellt sich aktuell die Frage einer guten Balance zwischen Glaubenstradition und pastoraler Innovation. Das betont der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler nach einer Begegnung mit den lateinischen Bischöfen des Bundesstaates Kerala in Indien. "Die notwendige Wertschätzung der überlieferten Glaubenstradition darf nicht zu einer Verweigerung eines pastoralen Aufbruchs führen", erklärte Glettler in einer Mitteilung der Diözese Innsbruck (Sonntag). Das sei auch beim intensiven Erfahrungsaustausch mit den Bischöfen Keralas deutlich geworden. Der Innsbrucker Bischof hält sich noch bis 22. Jänner zu einer zweiwöchigen Pastoral- und Projektreise in Indien auf.
Bei der Begegnung mit den Bischöfe in Vijayapuram am 13. Jänner ging es demnach vor allem um Fragen betreffend die Mission indischer Priester und Ordensgemeinschaften in Europa. Auch der von Papst Franziskus angestoßene weltweite Synodale Prozess der Kirche, der von allen indischen Diözesen des lateinischen Ritus intensiv aufgegriffen worden ist, war Thema. Auch in Indien sei aus den Beratungen der Ortskirche hervorgegangen, dass in der Pastoral mehr Nähe zu den Menschen nötig ist und eine möglichst konkrete Befähigung der Getauften, damit sie in den vielfältigen Situationen ihres Lebens ein glaubwürdiges Apostolat leben können. Die Zusammenarbeit von Laien und Priestern in allen Feldern kirchlichen Lebens werde entscheidend für die zukünftige Mission in Indien sein.
In Kerala sei er auf eine lebendige und gleichzeitig sozial und politisch auf vielfache Weise herausgeforderte Kirche getroffen, berichtete Glettler weiter. Begleitet wird der Bischof auf seiner Reise vom Personalverantwortlichen der Diözese Innsbruck, Michael Schallner, und von Tomy Mullur, der neben seiner Tätigkeit als Krankenhausseelsorger in der Tiroler Diözese auch für die Betreuung der Priester aus der Weltkirche tätig ist. Ihm sei durch die Begegnungen in Kerala noch deutlicher bewusst geworden, dass die Zusammenarbeit von Laien und Priestern in allen Feldern der Seelsorge zukünftig von größter Bedeutung sein wird, so Schallner. "Dazu gehören die Wertschätzung unterschiedlicher Berufungen und die Bereitschaft, in einem pastoralen Team mitzuarbeiten."
Erfolgsmodell Basisgemeinschaften
Als "ganz wichtige Erfahrung" bezeichnete die Tiroler Delegation auch ein Treffen mit den Verantwortlichen der kirchlichen Basisgemeinschaften (Basic ecclesical Communities) in der Diözese Punalur. Diese Gemeinschaften, die aus jeweils rund 20 Familien bestehen, treffen sich alle 14 Tage in einer Familie. Dabei tauschen sie sich über das Wort Gottes aus, beten miteinander und bereiten den Sonntagsgottesdienst vor. Zusätzlich organisieren sie Besuchsdienste bei Kranken und Verwitweten und unterstützen sich gegenseitig in finanziellen Notlagen.
Laut örtlichen Kirchenvertretern gibt es dieses System einer solidarisch vernetzenden Pfarrpastoral mit Basisgemeinschaften in allen Diözesen Keralas bereits seit zwei Jahrzehnten. "Das Glaubensleben in der Kirche in Kerala ist durch die Basisgemeinschaften noch intensiver geworden. Die Gläubigen spüren stärker als zuvor, dass sie zum Aufbau der Gemeinde Mitverantwortung tragen", sagte der Ordinariatskanzler der Diözese Punalur, Roy Simson. Die rund 13.000 Basisgruppen in den lateinischen Diözesen Keralas ergänzen die starke, immer noch lebendige Volksreligiosität. "So kann Kirche in der Nachbarschaft gehen und Zukunft haben", zeigte sich auch Bischof Glettler beeindruckt.
Kirche in Indien umfasst drei Riten
Die Katholische Kirche in Indien umfasst verschiedene Riten. Neben dem inzwischen größten, dem lateinischen, der auf die Missionstätigkeit der Neuzeit zurückgeht, gibt es den ostsyrischen Ritus der Syro-Malabaren und den westsyrischen der Syro-Malankaren. Indienweit gibt es 132 lateinische Diözesen, zu den mit Rom verbundenen (unierten) malabarischen und syro-malankarischen katholischen Kirchen gehören weltweit insgesamt 45 Diözesen.
Beim Gespräch der Tiroler Delegation mit den lateinischen Bischöfen Keralas sei deutlich geworden, dass dieses Verhältnis im Westen nicht entsprechend wahrgenommen werde, berichtete die Diözese Innsbruck weiter. Häufig werde die lateinische Tradition übersehen, die seit der portugiesischen Mission im 16. Jahrhundert große Teile Indiens nicht nur religiös, sondern auch im Bereich von Bildung, Kultur und sozialer Entwicklung wesentlich geprägt habe. Die lateinischen Diözesen Keralas zeichneten sich durch Seelsorge und soziales Engagement für die ärmeren Bevölkerungssichten aus.
Die syro-malabarische Kirche engagiert sich stark in der Gründung neuer Diözesen, sowohl in Indien als auch in Europa und in den USA. In Österreich wirken aktuell überdurchschnittlich viele Priester aus der syro-malabarischen Tradition, auch wenn sie eine Zulassung zur Feier des lateinischen Ritus haben.
Quelle: Kathpress