Heinz Fischer: Als Sozialist "sehr nahe bei christlichen Werten"
Als Agnostiker halte er weder die Annahme für beweisbar, dass es eine Gottheit und ein Leben nach dem Tod gibt, noch den atheistischen Widerspruch dagegen. Dennoch sieht sich der Sozialdemokrat und frühere österreichische Bundespräsident, Heinz Fischer, in vielem mit christlichen Werten verbunden, wie er im Kärntner "Sonntag" (Ausgabe 26. Jänner) darlegte.
Er verwies dazu auf sein bereits 1977 erschienenes Buch "Positionen und Perspektiven". Darin bezeichnete er Empathie und Fähigkeit zum Mitleiden als kennzeichnend für einen Sozialisten, sprach sich gegen Egoismus aus, für Wertschätzung der menschlichen Verschiedenheit bei gleichzeitiger Sensibilität für ungleiche Lebenschancen, für Toleranz und eine "nicht als Recht des Stärkeren" verstandene Freiheit. Mit dieser Position stehe man "auch sehr nahe bei den christlichen Werten" - und umgekehrt, wie Fischer hinzufügte.
"Wenn Sie mich fragen, ob ich Zeus, Jupiter oder Allah für Gottheiten und Jesus Christus für Gottes Sohn halte, dann ist meine Antwort - vorsichtig formuliert - sehr zurückhaltend", so Fischer in dem Interview wörtlich. "Wenn Sie mich aber fragen, ob ich es verstehen kann, dass die unfassbaren Urgewalten der Kosmologie, die bei der Entstehung des Weltalls am Werk waren und weiter am Werk sind, und dass das Wunder des Lebens bzw. die Wunder der Natur, die dem Menschen, seit es ihn gibt, unerklärlich sind, und er sie unter Zuhilfenahme des Phänomens eines allmächtigen Gottes zu erklären versucht, dann kann ich das sehr gut verstehen."
Glaube und Vernunft sind nach den Worten des langjährigen Spitzenpolitikers "nicht grundsätzlich getrennt, denn man kann selbstverständlich gläubig und vernünftig sein". Aber sie seien auch nicht zwingend verbunden, so könne man etwa auch gläubig und unvernünftig oder vernünftig und ungläubig sein. Er selbst reihe Ethik vor Religion, "weil es zwar Ethik ohne Religion, aber keine Religion ohne Ethik geben kann", erklärte Fischer. "Sonst ist es nämlich keine Religion." Auf die Frage, ob er im Himmel den Ruheort für die Seelen sehe, antwortete der Altbundespräsident knapp mit "Nein".
Als sein Lebensmotto könne der kategorische Imperativ von Immanuel Kant ("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.") gelten und sein "Optimismus, dass die Menschen lernfähig sind", sagte Fischer weiter. Und er bejahte die Frage, ob er im Alter von 84 Jahren noch immer von einer solidarischeren und gerechteren Welt träume: "Vor allem, wenn ich wach bin."
Quelle: kathpress