
"Linzer Friedensgespräche 2023" im Zeichen der Klimakrise
Für ein alternatives Wirtschaftssystem hat sich der Kultur- und Sozialanthropologe Martin Auer im Rahmen der heurigen "Linzer Friedensgespräche" ausgesprochen, die am Freitagnachmittag in Linz stattfanden. Eine Wirtschaft, bei der immer mehr produziert werden muss, ist für ihn "eine völlig irrationale Wirtschaftsweise, die überhaupt zur Klimakrise geführt hat". Auer ist Autor und arbeitet in der Fachgruppe Klimakrise, Militär, Konflikt der "Scientists for Future". Er war einer der Referentinnen und Referenten der "Linzer Friedensgespräche". Mitveranstalter waren "Pax Christi", die Katholische Aktion Oberösterreich und "mensch&arbeit" (Betriebsseelsorge).
Im Interview mit der Linzer "KirchenZeitung" sprach Auer auch über den Zusammenhang von Klimakrise und Konflikten und die Energiewende: Bei einem nicht mehr wachsenden Wirtschaftssystem werde es "keine Kriege um Ressourcen mehr geben". Stattdessen "können wir schauen, wie wir diese besser nutzen können", führte er aus. Denn, es gehe darum, den Wohlstand gerecht zu verteilen: "Der Globale Süden muss die Möglichkeit haben, aufzuholen, dem muss man auch noch ein größeres Treibhausgaskontingent zugestehen. Der reiche Norden muss sagen: Wir haben genug." Selbst versorgende Genossenschaften, Gemeinden oder Staaten könnten etwa technische Innovationen nutzen, um mehr Freizeit zu haben und nicht, um noch mehr zu produzieren.
"Wenn wir von Konflikten sprechen, dürfen wir nicht nur Kriege betrachten", führte Auer weiter aus. "Der Grundkonflikt ist immer noch der, wer die Lasten der Klimakatastrophe trägt. Zwei Drittel des jetzt in der Atmosphäre befindlichen Kohlendioxids stammt aus den früh industrialisierten Ländern in Europa und in den USA." Der Globale Norden schulde dem Globalen Süden Unterstützung bei der Vermeidung von Treibhausgasen, Hilfe bei der Anpassung an den Klimawandel und Entschädigung für Klimaschäden. Problematisch sei, dass ein Großteil der Finanzhilfen für ärmere Länder durch Kreditvergabe passiere und nicht in Form von nicht rückzahlbaren Unterstützungen. "Damit setzen wir in Wirklichkeit eine koloniale Politik fort, bei der wir die ärmeren Länder in Abhängigkeit bringen", kritisierte er.
Eine kriegerische Auseinandersetzung, die zumindest indirekt mit der Klimakrise in Zusammenhang steht, sei etwa der Bürgerkrieg in Syrien. "Das Land wurde vor Kriegsausbruch in den Jahren von 2006 bis 2011 von einer nie dagewesenen Dürre heimgesucht, was auch mit dem Klimawandel zusammenhängt", erklärte er. Die Dürre habe die bereits bestehenden sozialen Probleme in Syrien weiter verschärft. "Auf diese Lage hat die korrupte Regierung nicht reagiert, was in der Folge zum Bürgerkrieg geführt hat."
Produktion mit kritischen Rohstoffen
Bei der "Energiewende" werde oft davon gesprochen, dass erneuerbare Energien unabhängig machen und Frieden schaffen sollen, weil mit ihnen dezentral im Land Energie produziert werden könne. Dabei werde oft übersehen, "dass zur Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien ganz viele kritische Rohstoffe notwendig sind wie etwa Kupfer, Nickel, Lithium und seltene Erden. Und auch die sind sehr ungleich verteilt in der Erdkruste." Auch der aktuelle Ukraine-Krieg berühre das Thema, da in der Ostukraine enorme Lithiumvorkommen lägen.
Als berechtigt erachtete Auer daher auch die "Proteste und die Verzweiflung", die etwa die Aktivisten der "Letzten Generation" zeigten. Er sprach sich aber für Proteste an Orten aus, "wo die Treibhausgase entstehen und nicht bei den Autofahrer:innen, also den Konsument:innen". Die Frage sei, wie man Autofahrende, die man gerade aufhält, dadurch überzeugen kann, sich für den Klimaschutz einzusetzen.
Auer würde die Proteste daher eher in der Raffinerie oder am Flugplatz, wo die Privatjets landen und starten, ansetzen - immer verbunden "mit einem positiven Bild, wie ein Leben ohne Treibhausgasemissionen funktionieren kann". Die meisten Leute können sich das gar nicht vorstellen, erklärte er: "Wenn das Auskommen nicht vom Arbeitsplatz abhängig ist, dann stehen wir ganz anders da." Die Klimaschutzbewegung müsse sich noch viel mehr einsetzen für Fragen wie Arbeitszeitverkürzung oder für die Möglichkeit, soziale Arbeit zu leisten, anstatt Erwerbsarbeit.
Quelle: kathpress