Zulehner: Zölibat könnte bei nächster Synode diskutiert werden
Noch keine rasche Aufhebung des Pflichtzölibats für katholische Priester, jedoch eine erneut in Gang gesetzte Diskussion darüber erwartet der Wiener Theologe Paul Michael Zulehner. Wie der Kirchenkenner in der ORF-Sendung "Orientierung" (Sonntag) erklärte, könnte die kommende Weltsynode im Jahr 2023 und 2024 der geeignete Rahmen dafür sein. "Ganz neue Bedingungen" könnten künftig an katholische Geistliche gestellt werden, damit diese "nicht für das Volk, sondern aus den Gemeinden" seien, wie es auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) gefordert habe. Auch die Frage nach dem "geglückten Leben" der in der Seelsorge Tätigen gelte es zu stellen.
Zulehner bezog sich damit auf jüngste Äußerungen von Papst Franziskus, der in einem Interview erklärt hatte, der Zölibat sei nur ein kirchliches Gesetz, das man auch ändern könnte. Der Wiener Theologe sprach von einem "Mosaikstein in einem größeren Bild". Franziskus habe schon nach dem Weltjugendtag 2019 sinngemäß gesagt, er bleibe beim Zölibat, eine künftige Weiterentwicklung sei jedoch angesichts bestimmter pastoraler Nöte denkbar. "Typisch ist, dass er nicht auf den Tisch haut und sagt, ab morgen gilt das. Das wäre der alte Stil des Papstamtes gewesen", bemerkte Zulehner.
Ganz grundsätzlich stehe Papst Franziskus für einen "Dialogprozess" in der Kirche, der alle Menschen einbeziehe, von den diskutierten Themen betroffen seien. Auf diese Weise würden die dann zu treffenden Entscheidungen vorbereitet. Am Beispiel des Zölibats und Priestertums, das in Europa auf andere Weise wahrgenommen werde als etwa in Afrika, könnte die Kirche etwa den Weg einer "Dezentralisierung" einschlagen, befand der Wiener Pastoraltheologe. Auf der Synode könnte entschieden werden, "dass Diözesen oder Kontinente einen eigenen Weg in dieser Frage gehen".
Auf seiner Blogseite zog Zulehner am Sonntag auch Bilanz über das bisherige Pontifikat von Franziskus, der am Montag vor genau zehn Jahren als Wahlsieger im Konklave hervorgegangen war. Auch hier schrieb der Theologe davon, dass der Papst die Weltkirche durch die bisherigen Synoden - zur Jugend, Familie, Amazonien und nun im "Synodalen Prozess" zum Thema Partizipation - bereits in "dezentralisierter Kontinentalisierung" einübe. Der "Panikzentralismus", der bisher um den "Preis einer tragischen Stagnation der Weltkirche" die Einheit gesichert habe, könnte schon bei der Synode 2024 von einer "Weltkirche mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten" abgelöst werden.
Noch vor der Sorge um eine Reform der Strukturen gehe es bei Franziskus allerdings um die grundsätzliche Positionierung der Kirche. Der Papst aus Argentinien stehe für eine "Kirche mit den Armen, die an die Ränder geht", erklärte Zulehner. Als "Weltpfarrer" habe Franziskus die Akzente verschoben: "Vom Moralisieren zum Heilen, vom Gesetz zum Einzelschicksal, vom Ausschließen zum Hereinholen." Immer wieder habe sich der Papst auch für eine "verbeulte Kirche" ausgesprochen, die hohe Sensibilität für "Wunden" besitze - im Leben der Menschen, in der Weltgemeinschaft und der Natur. Daher seien die Kriege, der Klimanotstand und die Migration seine großen Themen.
Freilich seien so manche Anfangserwartungen an Franziskus nicht erfüllt worden, räumte der emeritierte Wiener Pastoraltheologe ein. Sowohl "jene, die keine Reformen wollen" als auch "jene, denen die Reformen zu langsam gehen", zählten heute innerkirchlich zu den Gegnern des Papstes. Insgesamt wünschte Zulehner jedoch: "Hoffentlich kann Papst Franziskus der Welt und der Kirche noch lange dienen. Vielleicht wird seine Bedeutung rückblickend weniger in der Kirchenentwicklung liegen, sondern im Beitrag zur Meisterung der großen Herausforderungen in der taumelnden Welt."
Quelle: kathpress