
Graz: "Solidaritätsbarometer" der Caritas offenbart Finanz-Sorgen
Alarmierende Einblicke in die soziale Situation in der Steiermark, doch zugleich auch Anlass zu Zuversicht gibt der "Solidaritätsbarometer", den die Caritas der Diözese Graz-Seckau am Freitag zum Auftakt ihrer jährlichen Haussammlung präsentiert hat. Die repräsentative Befragung zeige, dass die Inflation bei Produkten des täglichen Bedarfs von der Bevölkerung deutlich höher wahrgenommen wird als sie tatsächlich ist, erklärte Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler bei diesem Anlass. Jeder zweite Befragte habe finanzielle Sorgen, jeder dritte sogar starke Existenzängste. Hoffnung gebe jedoch der sichtbar gewordene "starke soziale Zusammenhalt", so die kirchliche Sozialexpertin.
Bereits seit sechs Jahren erhebt der "Solidaritätsbarometer" die Einstellung zu Spendenbereitschaft und Solidarität, sowie aktuell in Zusatzfragen auch zur stark gestiegenen Inflation. Rund die Hälfte aller Befragten sorgt sich laut den Ergebnissen um die eigene finanzielle Situation und hat das Gefühl, sich einschränken zu müssen. Armutsbetroffene und ältere Personen sowie Familien mit Kindern gelten bei der Mehrheit der Befragten als besonders betroffen. "Hier braucht es zielgerichtete Unterstützungen für Menschen in finanzieller Armut", forderte Tödtling-Musenbichler in Richtung Politik. Dies sei in der Umfrage als Reaktion auf die Teuerung gewünscht worden, sowie eine Anhebung der Pensionen zumindest um die Inflation.
Die Caritas-Direktorin sah mit der Befragung eine wesentliche Erfahrung der Caritas bestätigt: "Es werden mehr und mehr Menschen, die Rat und Hilfe suchen." Schaue man sich die jüngsten Zahlen an, die für das Jahr 2021 rund 158.000 armutsgefährdete Personen in der Steiermark ausweisen, müsse man mit einem Anstieg der Hilfesuchenden rechnen. Zugleich sei die Solidarität auf gleichbleibendem Niveau geblieben: "Die Menschen sorgen sich mehr um andere als um sich selbst und sind weiterhin in hohem Maß bereit, sich in der Gesellschaft sozial zu engagieren, trotz eigener Einschränkungen", so Tödtling-Musenbichler.
Auch die Caritas-Haussammlung trage dazu viel bei. Die heuer in der Steiermark bereits zum 72. Mal durchgeführte Spendenaktion bewirke "Austausch und Begegnung, Zuhören und Hinspüren in die Lebenssituation der Menschen", sagte die steirische Caritas-Kuratoriumsvorsitzende, Kristina Edlinger-Ploder. Die beteiligten Sammler seien "Seismographen" für die Stimmung im Land, sorgten für mehr Aufmerksamkeit füreinander und stärkten so den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die heuer unter dem Motto "Zusammen helfen" durchgeführte Aktion wird von tausenden Freiwilligen durchgeführt und hat im vergangenen Jahr eine Spendensumme von 630.000 Euro zusammengebracht.
Überrascht äußerte sich der Grazer Soziologe Florian Brugger, Mitentwickler der Umfrage, über die Befragungsergebnisse zur Teuerung. Die empfundene Inflation der rund 1.000 Befragten übersteige die reale Inflation um ein Vielfaches, besonders bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln. Auch die Teuerungen bei Strom- und Heizkosten würden höher wahrgenommen, als sie tatsächlich sind.
Quelle: kathpress