Wien: Großes Interesse an katholischer Tattoo-Aktion
Tätowieren ist nicht nur im profanen Bereich, sondern auch im kirchlichen Bereich beliebt - ja geradezu eine "ästhetische Frömmigkeitsbewegung" geworden, wie Christopher Paul Campbell gegenüber Kathpress erzählt. Der Leiter der Wiener Begegnungsstätte "Quo vadis?" der österreichischen Ordensgemeinschaften initiierte eine katholische Tattoo-Aktion mit einem Gottesdienst" für "bunte Menschen" am Freitagabend in der Ruprechtskirche und anschließender Podiumsdiskussion über "Glauben, der unter die Haut geht". Am Samstag, 15. April, wird der deutsche Tätowierer Silas Becks von 10 bis 18 Uhr im "Quo vadis?" Interessierte aus christlichen Motiven auswählen lassen und diese dann auch vor Ort stechen.
Das Interesse nach der Ankündigung war enorm: 400 Anmeldungen seien dazu eingegangen, maximal ein Zehntel davon könne Becks tatsächlich bewältigen, so Campbell. Und auch für viele Medien seien die "kostenlosen Peckerln" in der katholischen Kirche - wie es auf religion.orf.at hieß - eine gern aufgegriffene Story.
Der Theologe, Altphilologe und Anglist, seit September in Wien und davor für die deutsche Diözese Limburg tätig, ist selbst - untätowierter - ausgewiesener Experte auf dem Gebiet: Er verfasste das Buch "Tattoo und Religion" über die "bunten Kathedralen des Selbst" und ist überzeugt, dass Tattoos auf einer "tiefen spirituellen Erfahrung" gründen können. Und die Kirche signalisiere mit Respekt dafür auch Offenheit für neue Ziel- bzw. Ansprechgruppen.
Neben viel Zuspruch gebe es für die Tattoo-Aktion freilich auch einiges an Skepsis bis hin zu offener Ablehnung mit Androhung von Exorzismus dieser vermeintlich glaubensfernen Praxis. Campbell geht davon aus, dass nicht jedes Kreuz-Tattoo Ausdruck tiefen Glaubens ist und dass daran Interessierte nicht "heiliggestochen" werden, möchte den Betreffenden aber auch nicht ehrliches Interesse an Spiritualität absprechen, wie es sagte. Auch eine "Langzeitwirkung" religiöser Tattoos sei nicht auszuschließen. "Es geht darum, die Zeichen ernst zu nehmen, die Menschen sich selbst geben", so Campbell. Wichtig sei ihm auch, Anschluss an andere Rituale der Kirche zu finden - etwa durch den in Wien begleitend angebotenen Tattoo-Gottesdienst und einen dort vorgebrachten Segen.
Der aus Stuttgart angereiste Silas Becks sei selbst überzeugter Katholik, der seit mehreren Jahren christliche Tattoo-Aktionen durchführt und so Menschen helfen wolle, ihren Glauben persönlich zu bekunden. Campbell lernte ihn bei seinen Recherchen für sein Buch kennen und arbeitet mit dem Deutschen seit mehreren Jahren immer wieder zusammen.
Tattoos schon im Mittelalter
Der Theologe mit amerikanischen und deutschen Wurzeln verwies darauf, dass es zwischen Tätowierung und christlicher Spiritualität durchaus historische Anknüpfungspunkte gebe. Neben der Jerusalemer Pilgertätowierung und ihrer jahrhundertealten Tradition habe diese Form der Ikonographie in vielen Teilen des Christentums eine Rolle gespielt - etwa bei den Kopten in Ägypten oder den eritreischen Christen. In Jerusalem, aber auch in Loretto oder Santiago de Compostela hatten laut Campbell immer wieder Franziskaner oder Kapuziner mit Tätowierungen zu tun. Berühmte Ordensleute wie der Dominikaner Heinrich Seuse (1295-1366) oder die Begine Christine von Stommeln (1242-1312) hätten "die subkutane Tinte in ihre Frömmigkeitspraxis einbezogen", so Campbell.
Daran wolle er anknüpfen. In Wien solle eine katholische Perspektive auf das heute alltäglich gewordene Phänomen von Tätowierungen eingenommen werden, "die nicht auf Verbot und Ablehnung, sondern auf Freundlichkeit und Augenhöhe basiert". (Info: www.quovadis.or.at)
Quelle: kathpress