"Fairtrade"-Vorstand Schüller: "Der billigste Preis kostet anderswo"
Der Vorstandsvorsitzende von "Fairtrade Österreich", Pfarrer Helmut Schüller, ist überzeugt, dass fairer Handel "eines Tages der Normalfall sein" wird. Der Verein setzt sich in Österreich seit nunmehr 30 Jahren für faire Löhne und Arbeitsbedingungen für Bauern in den Herkunftsländern von Produkten wie Kakao, Kaffee oder Bananen ein. Bis zum angepeilten Ziel sei es aber noch ein weiter Weg und die ausgewiesenen Fairtrade-Produkte seien eine Erinnerung an diese Aufgabe, sagte der ehemalige Caritas-Präsident im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (Montag). Fest stehe: "Der billigste Preis kostet anderswo, durch unmenschliche Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit oder Umweltzerstörung", so Schüller.
Trotz Inflation und anderer aktueller Krisen sieht Schüller keinen Einbruch bei fair- und somit zu einem höheren Preis gehandelten Produkten. "Entgegen der Annahme verstärken Krisen nicht nur den Egoismus, sondern auch das Verständnis für Notsituationen anderer Menschen", so der Vorstand. Auch wenn viele Menschen aktuell zum Sparen gezwungen seien, kauften viele weiterhin bewusst, "und interessanterweise keineswegs nur die mit den besseren Einkommen".
Letztlich gehe es um die Frage, welches Wirtschaftssystem man unterstützen wolle. "Fairtrade einkaufen, heißt aussteigen aus einem unfairen System, bei dem man für sich selbst Nutzen zieht auf Kosten anderer", dieses Prinzip sei nach wie vor vielen Konsumenten ein wichtiges Anliegen. "Fairtrade"-Landwirte seien keine Almosenempfänger, unterstrich Schüller, "sondern Menschen, die einfach nur gerecht behandelt werden müssen". Als Glied in der Kette trage jeder einzelne Konsument Verantwortung.
Politik muss mehr beitragen
Fest steht für den Pfarrer, der seit über 15 Jahren Vorstand von "Fairtrade" Österreich ist, dass nach wie vor ein zu großer Teil des Globalen Südens abgehängt sei. Dass durch die Coronakrise oder den Krieg in der Ukraine die Stimmung gekippt sei, hält er aber für ein Pauschalurteil: "Ich treffe viel zu häufig Leute, bei denen das Gegenteil der Fall ist. Aber natürlich ist es nicht leicht, solidarisch zu sein, wenn die öffentliche, politische Luft dazu nicht gut ist". So fehle es weniger an der Bereitschaft der Menschen, sondern viel mehr an der Unterstützung durch die Rahmenbedingungen in der Politik.
Schon die Art und Weise, "wie von der Politik abwertend und deklassierend von Ausländern gesprochen wird und Migranten stets nur als Gefahr hingestellt werden, die an den Grenzen abgewehrt werden muss", zeige die Problemlage: "Das sind keine guten Signale für Menschen, die solidarisch sein wollen. Und es ist keine gute politische Bildungslektion für die Jungen". Man könne politische Bildung zwar an den Schulen unterrichten, die "wahre politische Bildung" liege aber im Vorbild der erwachsenen Generation, zeigte er sich überzeugt.
Der Zusammenhang zwischen fairem Handel und der Immigrationspolitik sei logisch, so Schüller, "wer Menschen vor Ort ein gutes Leben ermöglicht, verhindert Immigration". Fakt sei aber auch, dass Österreich eines jener Länder sei, die für die Entwicklungszusammenarbeit besonders wenig zahlen wollen.
In der Zukunft gebe es im Bereich des fairen Handels jedenfalls noch viel zu tun: in vielen Gegenden habe man es noch nicht geschafft, dass Produzenten genug mit ihrer Arbeit verdienten, um zu überleben. Auch das von der EU geplante Lieferkettengesetz, das Umweltstandards, aber auch Arbeits- und Menschenrechte absichern soll, sei nach wie vor nicht umgesetzt, kritisierte Schüller. Das Argument der Wirtschaft, dass man gerechte Arbeitsbedingungen bei weltweiten Lieferketten nicht kontrollieren könne, stimme nur bedingt. "Natürlich kann man das kontrollieren. Die Frage ist vielmehr, was einem dieser Aufwand wert ist", zeigte sich der "Fairtrade"-Vorstand überzeugt. "Man muss sich für die Priorität entscheiden, dass man menschengerechten und umweltgerechten Handel will."
"Fairtrade" Österreich (voller Name: Verein zur Förderung des fairen Handels mit den Ländern des Südens) ist ein 1993 gegründeter gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien. Er vergibt in Österreich das "Fairtrade"-Siegel für den fairen Handel mit dem Globalen Süden. Das übergeordnete Ziel von "Fairtrade" Österreich ist ein entwicklungspolitisches: die Minderung von Armut in Asien, Lateinamerika und Afrika. Kleinbauern und Plantagenarbeiter sowie ihre Familien und Gemeinden sollen gefördert und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessert werden. Der frühere Caritas-Präsident Helmut Schüller hat seit 2007 den Vorsitz im Vorstand des Gütesiegel-Vereins inne. Mit 70 Jahren will er diese Funktion im Sommer zurücklegen. (Info: www.fairtrade.at)
Quelle: kathpress